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Déi Gréng setzen auf ihre Kernkompetenzen

Das grüne Wahlprogramm unter der Lupe

Die Grünen schlagen 1.624 Ideen vor, mit denen vor allem die ökologische Wende vollzogen werden soll.

Die Grünen schlagen 1.624 Ideen vor, mit denen vor allem die ökologische Wende vollzogen werden soll. Foto: Marc Wilwert

Mit dem Wahlprogramm der Grünen verhält es sich in etwa wie einst mit der „Back to Basics“-Bildungspolitik von Anne Brasseur (DP): Es ist eine Rückbesinnung auf die Kernelemente. Die Kernelemente grüner Politik, die sich sowohl im Titel des Wahlprogramms – „Liewenswäert, zukunftssecher a gerecht, dat ass eist Lëtzebuerg“ -, als auch in den drei Oberbegriffen „schützen“, „erneuern“, „gut leben“ reflektieren.

Positive Botschaften vermitteln

Titel wie Oberbegriffe sollen eine positive Botschaft vermitteln. Das Wahlprogramm soll auf gar keinen Fall den Eindruck hergeben, Déi Gréng seien jene Verbotspartei und jene Verzichtspartei, als die sie die politischen Mitstreiter nur allzu gerne darstellen.

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Das 1.624 Ideen umfassende und 141 Seiten schwere Dokument verfügt über ein weiteres Merkmal, mit dem es sich vom liberalen und sozialistischen Katalog unterscheidet: Die Grünen legen einen großen Wert auf ihre Regierungsbilanz der vergangenen fünf, zehn Jahre. Es ist der ganz klare Ansatz, dem jüngsten Umfragetrend und dem durchwachsenen Ergebnis bei den Kommunalwahlen entgegenzutreten mit der Botschaft des Bewältigten in jenen Ressorts, in denen das grüne Minister-Quintett in der Verantwortung steht: Déi Gréng haben geliefert und das Land zum Besseren verändert, in der Mobilität, in der Energie- und Klimapolitik, beim Wohnungsbau und in der Landesplanung, im Kultur- und Justizwesen …

Die bislang geleistete Arbeit reicht noch nicht aus.

Meris Sehovic

Co-Parteichef

Und dort, wo das Bewältigte noch nicht bewältigt ist, liest sich das Wahlprogramm wie die Bitte um die Chance, die Arbeit fortzuführen beziehungsweise zu vollenden. „Die bislang geleistete Arbeit reicht noch nicht aus“ und „die Herausforderungen sind nicht mit ausgedienten Rezepten aus den 80er und 90er Jahren zu bewältigen“, mahnte Co-Parteichef Meris Sehovic denn auch beim Start der Wahlkampagne Anfang September.

Entsprechend sind die Wahlplakate aufgemacht, beispielsweise „Mat Gréng rullt et“ oder „Mat Gréng bezuelbar Energie“. Und entsprechend lesen sich folglich die Forderungen und Vorschläge, ob im Wohnungsbau mit jährlich mindestens 800 neuen erschwinglichen Wohnungen, in der Mobilität mit dem Ausbau der Tramtrasse in und um die Hauptstadt, im Umweltschutz mit einer Renaturierungsoffensive für den Gewässerschutz, in der Energiepolitik mit einer Fotovoltaikanlage auf jedem Neubau, und im Denkmalschutz mit der systematischen Sanierung geschützter öffentlicher Gebäude.

Ergänzend dazu lassen Déi Gréng da und dort originelle Ideen einfließen. Die Klimawende soll mit einem passenden Investitionsfonds und einem Klimasparbuch für jeden/s Neugeborene(n) gefördert und forciert werden und bei der Elektromobilität setzen die Grünen auf die Möglichkeit des sozialen Leasings. In der Familienpolitik gilt dies für die Einführung einer Familienarbeitszeit, die Eltern mehr Zeit für ihre Kinder gewähren soll, sowie der Schaffung einer Kindergrundsicherung, um die Armut von Kindern und Jugendlichen, die jüngst nochmals von der Caritas eindringlich thematisiert wurde, zu vermeiden. Jugendlichen sollen zudem die Vorteile des öffentlichen Transportes und die Bedeutung Europas durch ein kostenloses Interrail-Ticket zum 18. Geburtstag schmackhaft gemacht werden.

Bekenntnis zu den Wurzeln

Ausgehend von ihrem ökologischen Fundament setzen die Grünen auf eine nachhaltige Politik, die die drei Pfeiler – Soziales, Umwelt, Wirtschaft – vereinbart. Das gilt zum Beispiel bei der CO2-Steuer, die als Lenkungsinstrument fester Bestandteil der Energie- und Klimapolitik bleibt (50 Prozent der Gelder werden dementsprechend investiert) und gleichzeitig eine soziale Abfederung beinhaltet. Das gilt auch für die Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit. Mit einem Green New Deal sollen die Unternehmen in die Klimaneutralität geführt werden und massive Investitionen in die Klima- und Energiewende für volle Auftragshefte sorgen. Damit sich auch einkommensschwächere Bürger und Haushalte diese Wende leisten können, sollen die Beihilfen via Vorfinanzierung ausgeschüttet werden.  

Das wohl deutlichste Bekenntnis zu ihren Wurzeln geben die Grünen mit Blick auf die Land- und Lebensmittelwirtschaft ab. Für Bio-Lebensmittel soll ein reduzierter TVA-Satz beziehungsweise null Mehrwertsteuer bei Bio-Gemüse und -Obst eingeführt und in öffentlichen Kantinen zu 100 Prozent auf Produkte aus biologischem Anbau gesetzt werden. Das langfristige Ziel soll ein kompletter Umstieg der luxemburgischen Landwirtschaft auf Bio sein.

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Die offene, tolerante Gesellschaft gehört seit jeher zur Grünen-DNA. Im Wahlprogramm finden diese Prinzipien ihren Niederschlag mit einem Aktionsplan gegen Rassismus, der Schaffung sogenannter Queer Spaces und eines Gender-Lehrstuhls an der Universität sowie einer Anti-Diskriminierungsstrategie für den Betreuungs- und Bildungsbereich. Ein anderes ur-grünes Prinzip, die Bürgerbeteiligung, soll unter anderem durch die Entwicklung eines nationalen Bürgerrates gefördert und institutionalisiert werden.

In der Justiz, einem der derzeitigen Ressorts von Spitzenkandidatin Sam Tanson, wollen sich Déi Gréng für die Anerkennung des Tatbestandes des Ökozids im internationalen Strafrecht einsetzen. Darüber hinaus sollen unter anderem das Zivilgesetzbuch und das Familienrecht modernisiert, die bürgernahe Justiz gefördert sowie die Dematerialisierung und Digitalisierung der Justizverfahren vorangetrieben werden.