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20 Jahre nach dem Irak-Krieg wundert sich Jean-Claude Juncker noch heute über die damalige Blauäugigkeit der Supermacht USA.
"Wortwechsel"-Podcast
Michael MERTEN
Zwanzig Jahre nach der US-amerikanischen Invasion im Irak zieht der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine verheerende Bilanz dieses Krieges. Denn der Einsatz, der in der Nacht vom 19. auf den 20. März 2003 mit einer Bombardierung der irakischen Hauptstadt Bagdad begann, habe die entscheidenden Ziele verfehlt. „Die Hauptkonsequenz ist, dass es nicht zu einer Ausbreitung der Demokratien westlichen Zuschnitts kam, sondern dass es in dem Raum eine Zunahme autoritärer Regime gab“, sagt Juncker im Podcast „Wortwechsel“ des „Luxemburger Wort“. In dem Gespräch mit LW-Journalist Michael Merten geht es um die großen geopolitischen Umbrüche vom Irak- bis zum Ukraine-Krieg.
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Juncker, der von 1995 bis 2013 luxemburgischer Premierminister war, erinnert sich an die gescheiterten Versuche, den damaligen US-Präsidenten George W. Bush von seinen Invasionsplänen abzubringen. „Ich war einige Monate vor Ausbruch des Irak-Krieges in Washington“, erzählt Juncker von einer Begegnung mit Bush, „und ich habe ihn gefragt: Was passiert denn jetzt? Und er hat gesagt, wenn es Invasionspläne gäbe, würde ich dich jetzt ins Nebenzimmer bitten und dir die Einsatzpläne zeigen.“
Der CSV-Politiker betont, dass er Bush mit der Frage konfrontiert habe, was denn nach einer Invasion mit dem Irak passieren solle. Bush habe ihn daraufhin an den damaligen Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA, George Tenet, verwiesen. „Ich habe dem dieselbe Frage gestellt“, so Juncker. „Und er hat diesen unwahrscheinlichen Satz quasi aus der Hüfte geschossen, nämlich, dass nach dem Einmarsch die amerikanischen Truppen begrüßt werden würden von allen.“
Fehleinschätzungen der Amerikaner
Das sei aber nicht die einzige Fehleinschätzung der Amerikaner gewesen, so Juncker: „Als ich fragte, wer soll denn dieses Land Irak nach dem Wegfall von Saddam Hussein regieren, hat er gesagt: 'We'll put someone there'. Wir finden jemanden, der das macht. Das haben sie aber nicht. Und diese eigentlich alles niedertrampelnde Arroganz - wir kommen und wir schaffen Ordnung und dann funktioniert eine neue Demokratie in der arabischen Welt - dieser Satz ist ohne Folgen geblieben.“
Zur Begründung der Invasion legten die USA vermeintliche Beweise für irakische Massenvernichtungswaffen vor, die sich jedoch später als gefälscht herausstellten. Daher geht Juncker hart mit der Arbeit der Geheimdienste ins Gericht. „Wir wurden damals gefüttert mit Geheimdienstberichten sowohl der Amerikaner als auch der Briten, aus denen einwandfrei hervorzugehen schien, dass Saddam Hussein einsatzbereite Massenvernichtungswaffen in seinen Händen hielt.“
„Die Geheimdienste hätten eigentlich abgeschafft werden müssen, weil die Informationen stimmen nicht.“
Jean-Claude Juncker
Juncker erzählt, wie er sich mit dem damaligen britischen Premier Tony Blair, einem Verbündeten Bushs, ausgetauscht habe. „Ich habe ihm gesagt: Tony, bist du ganz sicher, dass das, was Ihr an Informationsmaterial gesammelt hat, auch stichhaltig ist? Und dann sagte er den schönen Satz: 'Wenn das, was die Geheimdienste uns mitgeteilt haben, nicht stimmt, dann können wir die Geheimdienste abschaffen'. Sie hätten eigentlich abgeschafft werden müssen, weil die Informationen stimmen nicht.“
Illusion eines schnellen EU-Beitritts
Rückblickend auf die geopolitischen Umwälzungen seit dem Irak-Krieg sagt Juncker: „Es ist immer einfach, einen Krieg zu beginnen. Es ist außergewöhnlich schwierig, sich wieder aus der Kriegslogik zu befreien.“ Mit Sorge betrachte er die gegenwärtige Situation: „Jetzt sind wir dabei, wieder aufzurüsten und rutschen langsam aber sicher wieder in die Diktion des Kalten Kriegs.“
Er habe immer den Dialog mit Russland gesucht, doch das sei derzeit nicht möglich, so Juncker mit Blick auf den Ukraine-Krieg: „Tatsache ist aber, dass Putin und die russische Führung insgesamt keinerlei Willen erkennen lässt, zu wirklichen Friedensgesprächen zu schreiten.“ Es dürfe keinesfalls zu einem vom Kreml vorgegebenen Diktatfrieden in der Ukraine kommen. „Frieden ist nicht der höchste Wert, den es zu verteidigen gilt. Freiheit ist ein höher einzustufender Wert.“
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20 Jahre nach dem 11. September 2001 blickt der Ex-Regierungschef Jean-Claude Juncker im Video-Gespräch an die dramatische Zeit zurück.
Im Zuge des russischen Angriffskriegs wurde der Ukraine am 23. Juni 2022 in Rekordzeit der Kandidatenstatus zum EU-Beitritt zugesprochen. „Ich glaube, aus gegebenen Gründen braucht die Ukraine eine Beitrittsperspektive“, begrüßt Juncker diesen Schritt grundsätzlich, doch er will unrealistische Erwartungen vermeiden: „Aber ich bin sehr verstimmt über die Unvorsichtigkeit vieler auch im Westen handelnder Politiker, die der Ukraine einen schnellen Beitritt in Aussicht stellen. Das sehe ich nicht.“
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