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Das Thema Ärztemangel macht Frankreich enorm zu schaffen. Aus der Not heraus hat sich in Ajain jetzt eine Lösung gefunden, die Schule machen könnte.
Medizin
Das Thema Ärztemangel macht Frankreich enorm zu schaffen. Aus der Not heraus hat sich in Ajain (Département Creuse) jetzt eine Lösung gefunden, die Schule machen könnte.
(dpa) - Als vor gut zwei Jahren der letzte Hausarzt in der 1.150-Einwohner-Gemeinde Ajain mitten in Frankreich in Rente ging und sich keine Nachfolge fand, gab der kleine Ort sich nicht geschlagen. Mit Schildern am Ortseingang und einem Videoclip kämpfte Ajain um einen neuen Mediziner – vergeblich. Der Landarztmangel ist in Frankreich ein großes Problem. Doch dann meldete sich der junge Arzt Martial Jardel mit einem ungewöhnlichen Plan beim Bürgermeisteramt – und plötzlich hat Ajain 40 Ärzte. Das pfiffige Konzept: Für je eine Woche kommt eine Ärztin oder ein Arzt irgendwo aus Frankreich und springt in der Gemeinde ein.
„Ich wurde fast täglich angesprochen von den Menschen, haben Sie einen Arzt gefunden, am Ende sterbe ich, ehe ein neuer Arzt nach Ajain kommt“, erzählte Bürgermeister Guy Rouchon dem Sender France bleu. „Wir haben getan, was wir tun konnten.“ In regionalen und nationalen Medien warb die Gemeinde, auch mit einem kleinen Film. Darauf habe sich Mediziner Jardel gemeldet, der gerade sechs Monate lang per Wohnmobil als Vertretungsarzt quer durch Frankreich auf Achse war. Mit Hilfe der Gesundheitsbehörde und dem Ärztekollektiv „Médecins Solidaires“, das Jardel zur Umsetzung seiner Idee mitgründete, ging sein innovatives Konzept im Herbst an den Start.
Der Praxis-Container, initiiert von der Gesundheitsbehörde und dem Ärztekollektiv „Médecins Solidaires“, ist Sitz der neuen Hausarzt-Praxis, die je eine Woche mit einer Ärztin oder einem Arzt irgendwo aus Frankreich betreut wird.
Foto: dpa
„Wir schaffen eine kollektive Bewegung, eine neue Gemeinschaft“
„Das kann Angst machen, wenn jede Woche ein anderer Arzt kommt“, sagte Mediziner Jardel bei der Eröffnung der Praxis. Allerdings sei dies besser, als auf einen einzigen Arzt zu setzen, der sich niederlässt, dann den Ort aber vielleicht wieder verlässt. „Wir wollen als Allgemeinmediziner eine Lösung für ein kollektives Problem bieten.“ Auch in einer dünn besiedelten Region gebe es Lösungen, wenn man sie gemeinsam suche. „Wir schaffen eine kollektive Bewegung, eine neue Gemeinschaft.“ Man müsse sich lösen von der Einstellung, dass eh nichts funktioniere und man nichts tun könne. Deshalb habe er sich als Arzt und Bürger für das Projekt engagiert.
Die Leute sind überrascht, dass man sich um sie und ihre kleinen Wehwehchen kümmert, sie sind sehr zufrieden.
Bürgermeister Guy Rouchon
„Médecins Solidaires“ wirbt inzwischen dafür, dass Modell auch in anderen Kommunen in Frankreich zu kopieren und sucht dafür in einem ersten Schritt 300 engagierte Mediziner. Binnen fünf Jahren, so die Hoffnung, sollen 150 Arztpraxen wie in Ajain entstehen. In dem Ort werden die Gast-Ärzte in einem Landhaus einquartiert, erklärte der Beigeordnete der Gemeinde, Thomas Marty. Die neue Praxis wurde in einem angemieteten Containergebäude eingerichtet – das sei eine schnelle, vielleicht aber noch nicht die dauerhafte Lösung.
Bei jeder Visite ein anderer Arzt – dies sei für die Patienten kein Problem, da die ungewöhnliche Landarztpraxis über feste Sprechstundenhilfen und Patientenakten verfüge, sagte der Bürgermeister. „Die Leute sind überrascht, dass man sich um sie und ihre kleinen Wehwehchen kümmert, sie sind sehr zufrieden.“
Arzt Martial Jardel spricht bei der Eröffnung vor dem Praxis-Container.
Foto: dpa
Der Landarztmangel ist in Frankreich enorm, rund 22 Millionen Menschen leben in einer unterversorgten Region, etwa sechs Millionen haben keinen festen Hausarzt und ein Patentrezept hat die Regierung noch nicht gefunden. Auf der Suche nach einer Lösung machte da kürzlich auch die zentralfranzösische Stadt Nevers Schlagzeilen: Per Kleinflugzeug lässt sie Ärztinnen und Ärzte aus dem 150 Kilometer entfernten Dijon einfliegen, um den Personalmangel an der örtlichen Klinik zu lindern und tageweise mehr Ärzte in die Klinik zu bekommen.
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Auch in anderen Ländern mangelt es vielerorts an Landärzten. In Deutschland etwa wird mit verschiedenen Anreizen versucht, mehr Medizinerinnen und Mediziner anzulocken. Das kann von Stipendien für angehende Landärzte über Finanzspritzen für Praxisgründungen bis hin zu Honorarzuschüssen für Ärzte in unterversorgten Regionen reichen.
Ein weiteres Projekt bringt Post und Bücherei zusammen
In Ajain unterdessen ist der Bürgermeister nach dem Erfolg mit der Arztpraxis gleich ein weiteres Projekt angegangen, um seine Landgemeinde lebendig zu halten – die „Biblioposte“. Da die Post im Ort ihre Öffnungszeiten immer stärker reduzierte, richtete er mit Finanzhilfe aus dem Rathaus eine Postagentur samt Bücherei ein – diese gab es im Ort vorher noch gar nicht.
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