Luxembourg
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Neuer Stern am Finanzplatz

Das Firmenkundengeschäft hat es am Finanzplatz immer schon gegeben. Jetzt hat die Aktivität sich zu einem wahren Renner entwickelt.

Das Geschäft mit den Firmenkunden brummt

Das Firmenkundengeschäft hat es am Finanzplatz immer schon gegeben. Jetzt hat die Aktivität sich zu einem wahren Renner entwickelt.

Foto: John Schmit

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Der Geschäftsbereich überholt mittlerweile die Einnahmen des Private Banking. Die Branche will international verstärkt um Kunden werben

Das Geschäft mit den Firmenkunden brummt

Jean-Claude WEISHAAR

Jean-Claude WEISHAAR

Der Geschäftsbereich überholt mittlerweile die Einnahmen des Private Banking. Die Branche will international verstärkt um Kunden werben

 „Es war das Jahr 1963. Die italienische Firma Autostrade beschloss, eine Anleihe in US Dollar an der Luxemburger Börse notieren zu lassen. Die beteiligten Banken stammten zum Teil aus dem Vereinigten Königreich“. An diesem Bild wird deutlich, wie international der Finanzplatz schon damals war. Aber auch, dass internationale Firmenkunden schon früh die Vorteile Luxemburgs kannten.

Das Geschäft mit der Finanzierung von Firmen – im Jargon als „Corporate banking“ bekannt - hat es also schon immer gegeben. An sich ist das auch nichts Ungewöhnliches. Denn jeder weiß, dass er sich bei den Banken in Luxemburg einen Kredit für seine Firma besorgen kann. Ungewöhnlicher ist allerdings die Tatsache, dass das internationale Firmenkundengeschäft mittlerweile Dimensionen erreicht, die das viel bekanntere Geschäft mit den Privatkunden in den Schatten stellt. So verzeichnete die Branche 2021 Einnahmen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Beim „Private Banking“ waren es 2,5 Milliarden Euro.

40 Banken im Geschäftsbereich tätig

Obschon der Bereich „kaum sichtbar, komplex und weniger attraktiv ist als Branchen wie das Geschäft mit Privatkunden, Investmentfonds oder Versicherungen“ – wie Fabio Mandorino, der zuständige Koordinator bei der Bankenvereinigung ABBL, sagt – sprechen noch andere Fakten für den neuen Stern am Finanzplatz. So zum Beispiel die Tatsache, dass dort mittlerweile rund 40 Banken in besagtem Bereich tätig sind. 35 davon waren schon vor Ort präsent. „Zwischen 2019 und 2021 sind fünf infolge des Brexit oder interner Umstrukturierungen dazugestossen“, erklärt Mandorino.

Illustration, boulevard Royal, banque de Luxembourg, Finanzen, Finanzsektor, Finanzplatz, Bank, Bankenplatz, Finanzzentrum, Finanzkonnektivität, Foto: Luxemburger Wort/Anouk Antony
Das Geschäft mit den Firmenkunden brummt

Luxemburgs Corporate Banking Sektor hat drei Milliarden Euro umgesetzt. Das Geschäft ist seit 2016 um 60 Prozent gewachsen.

Bei den Banken, die im Corporate Banking tätig sind, handelt es sich zum Teil um bekannte Luxemburger Namen wie Spuerkeess, Raiffeisen, BGL BNP Paribas, BIL und Banque de Luxembourg. Die anderen 35 Banken stammen aus der Eurozone beziehungsweise der ganzen Welt und sind zum Teil Bestandteil großer Bankengruppen.

Die meisten haben immer schon Unternehmen finanziert. Die berauschende Entwicklung ihres Geschäfts in den vergangenen Jahren ist aber vor allem auf neue EU Reglementierungen zurückzuführen. „Das digitale Reporting der Banken musste den Anforderungen der Kunden angepasst werden“. Beim Thema Nachhaltigkeit und der dazu gehörenden EU-Taxonomie mussten die Banken entscheiden, ob sie verschiedene Geschäfte angesichts entstehender Reputationsrisiken noch finanzieren möchten. Banken leihen bekanntlich weniger umweltfreundlichen Unternehmen kaum noch Geld oder tun dies zu erhöhtem Preis. „Schließlich gab es neue Anforderungen im Zahlungsbereich“, so Fabio Mandorino. „All das zusammen führte dazu, dass der Banker seine Kenntnisse erweitern musste“.

Breite Palette an Dienstleistungen

Heute werden in Luxemburg im Firmenkundengeschäft drei bis vier Typen von Dienstleistungen angeboten – ein Angebot, das Unternehmen ansprechen sollen. Hierbei handelt es sich an erster Stelle um Darlehen und Treasury Aktivitäten, die sich sowohl an Luxemburger als auch an internationale Unternehmen richten. An zweiter Stelle handelt es sich um Dienstleistungen wie das „Cash management“. „Chinesische Banken zum Beispiel, deren Europageschäft von Luxemburg aus gesteuert wird, können dadurch ihre Transaktionen konsolidieren“, sagt Mandorino.

An dritter Stelle kommen Dienstleistungen im Bereich der Übernahmen („mergers and acquisitions“), die allerdings in Luxemburg nicht besonders ausgeprägt sind. „Schließlich führte der Brexit dazu, dass sich eine Reihe von Unternehmen aus dem Bereich Private Equity in Luxemburg niederließen. Solche Fonds werden auch hier betreut“, so Mandorino.

Was die erforderlichen Kenntnisse anbelangt, ist die Branche unterschiedlich aufgestellt. „Große Bankengruppen verfügten bereits über die entsprechenden Kenntnisse. Bei kleineren Banken, wo das nicht der Fall war, wurde das nötige Wissen über externe Anbieter aufgebaut“, erklärt Mandorino. In dieser Hinsicht gab es zum Beispiel eine intensive Zusammenarbeit mit dem House of Training, wie Paul Wilwertz, der Pressesprecher der ABBBL, erklärt. „Das Ganze – und man sieht es beim Thema Nachhaltigkeit – ist eine Herausforderung, wo noch enorm viel Arbeit bleibt“, so Wilwertz.

Internationaler Ansatz

Entscheidend bei der Entwicklung ist auch der Fakt, dass die Branche sich in der Lage sieht, den Unternehmer, der in mehreren Ländern mit einer Firma präsent ist, bei seinen Fragen in puncto Steuern oder Reglementierung zu bedienen. „Der Banker hier kennt die Gesetzeslage in vielen Ländern“, so Mandorino. „Luxemburg hat diese Expertise über mehrere Jahre hinweg entwickelt. Das ist der Vorteil, den wir haben“. Ein italienischer Unternehmer mit rein italienischen Interessen richte sich dagegen an seinen Banker in Italien.

Das Firmenkundengeschäft ähnelt demnach dem Privatkundengeschäft bei seiner Positionierung. Auch letzteres wendet sich typischerweise an „den Unternehmer aus einem EU-Land, dessen Kinder  in einem anderen Land ansässig sind, Firmen in mehreren Ländern hat, dazu noch ein Ferienhaus anderswo hat und auf den internationalen Finanzmärkten tätig ist“, wie ABBL-Sprecher Paul Wilwertz sagt.

Für einen Kunden, der sein Privatvermögen in Luxemburg verwalten lässt, bietet das Firmenkundengeschäft also eine zusätzliche Chance. Es sei nicht so, dass die Entwicklung des Corporate Banking auf Kosten des Privatkundengeschäfts stattfinde, heißt es bei der ABBL. Auch im Privatkundenbereich seien die verwalteten Vermögen in den letzten Jahren stark angestiegen, sagt Mandorino. „Die großen Bankengruppen in Luxemburg sind so aufgestellt, dass sie beiden Kundenbedürfnissen gleichzeitig erfüllen können. Alles hängt dabei vom Kunden ab. Einige wollen die Betreuung von Privatkapital und des eigenen Unternehmens von derselben Bank haben. Andere wollen es getrennt haben“, so Madorino.

Branche strebt Vermarktung im Ausland an

Wenngleich es also Parallelen und Synergie-Effekte zwischen Firmenkunden- und Privatkundengeschäft gibt ist ersteres noch nicht so international ausgerichtet. 35 Prozent der Kunden im „Corporate Banking“ stammen aus Luxemburg; beim „Private Banking“ sind es 20 Prozent. Bei den Kunden aus Luxemburg handelt es sich sowohl um kleine und mittlere Unternehmen als auch um international tätige Großkonzerne. Bei den anderen handelt es ich um Unternehmen aus der ganzen Welt, die sich über Banken in Luxemburg finanzieren.  

Die Branche, die sich in den letzten Jahren zu einem „Cluster“ mit eigenem Vorstand entwickelt hat, sieht heute Entwicklungspotential bei ihrer Vermarktung im Ausland. „Bisher waren wir beim Corporate Banking noch ein bisschen schüchtern. Wir haben, anders als Vertreter aus anderen Bankenbranchen, nicht an Promotionsmissionen von „Luxembourg for Finance“ teilgenommen“, erklärt Fabio Mandorino. Die Branche hat es vorgezogen, zuerst eine Story über sich selbst zu schreiben, die auf Statistiken, Veränderungen bei den Akteuren und Kunden basiert. Seit letztem Jahr organisiert sie  Konferenzen zum Thema „Corporate Banking“ und richtet sich an die lokale Presse. „Beim nächsten Schritt gilt es jetzt: die Märkte ausmachen, wo wir präsent sein wollen und unsere Vertreter dorthin schicken“, so Mandorino. „Es geht darum, den Bereich in seiner Diversität zu zeigen und für andere, die noch nicht in Luxemburg präsent sind, interessant zu werden“, fasst ABBL-Sprecher Paul Wilwertz die Lage der Branche zusammen. 

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