Luxembourg
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Populismus oder deliberative Demokratie?

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25. Januar: Premierminister Xavier Bettel (DP) wurde am Mittwoch vom griechischen Botschafter Angelos Ypsilantis mit dem Großkreuz des Ordens der Ehre ausgezeichnet. Die Auszeichnung wird an In- und Ausländer verliehen, die sich auf dem Gebiet der öffentlichen Verwaltung, des Handels und der Industrie sowie der Wissenschaft und Künste, Verdienste um Griechenland erworben haben. Die Feierlichkeiten fanden in der griechischen Botschaft statt.

Griechischer Orden der Ehre

Der Regierungschef wurde am Mittwoch in der griechischen Botschaft geehrt.

Spitzenkandidatur bei Déi Gréng

Kulturministerin Sam Tanson äußerte sich in einem Gespräch mit Nancy Braun ebenfalls zu den Ereignissen im Rahmen von Esch2022.

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Ehe Sam Tanson zur Spitzenkandidatin gekürt werden kann, müssen Déi Gréng ihre Satzung anpassen. Diese sieht keine nationale Spitzenkandidatur vor.

25.01.2022 Synode in der Kirche , Pressekonferenz : " synodaler Weg " , Kardinal Jean-Claude Hollerich , Foto : Marc Wilwert / Luxemburger Wort

Zivilisatorischer Wandel

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Der Luxemburger Kardinal wünscht sich eine tolerantere Haltung der Kirche – auch gegenüber geschiedenen oder homosexuellen Menschen.

Wer telefoniert wann mit wem?

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Der schmale Grat zwischen nationaler Sicherheit und Privatsphäre: Nur noch in Ausnahmefällen sollen personenbezogene Daten systematisch gespeichert werden.

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Anhörung zur Petition für zwei Tage Telearbeit pro Woche für alle. Verhandlungen mit den Nachbarländern zur Sozialversicherung sind vielversprechend.

Die Debatte um den alternativen Verfassungsentwurf von Déi Lénk sei keine Sternstunde der deliberativen Demokratie gewesen, meint der Autor.

Analyse und Meinung

Die Debatte um den alternativen Verfassungsentwurf von Déi Lénk sei keine Sternstunde der deliberativen Demokratie gewesen, meint der Autor.

Von André Hoffmann *

Kurz vor Weihnachten wurde in der Chamber debattiert und abgestimmt über das alternative Verfassungsprojekt der Linken, vorgestellt von ihrer Abgeordneten Nathalie Oberweis. Die Abstimmung war eindeutig: Nur die zwei linken Deputiertinnen stimmten dafür, alle anderen dagegen. Eine demokratische Entscheidung eben. Déi Lénk hatte sich über den Ausgang keine Illusionen gemacht, und hat selbstverständlich das Votum akzeptiert - als das, was es ist: der zeitgebundene Ausdruck eines politischen Kräfteverhältnisses.

IPO,Déi Lénk, parlamentarische Bilanz,Myriam Cecchetti,Foto: Gerry Huberty/Luxemburger Wort
Aus Luxemburg wird definitiv keine Republik

Der Vorschlag der Linken für eine alternative Verfassung wurde abgelehnt. Unterdessen wird auf die neue Investitionsstrategie des Rentenfonds gewartet.

In der Demokratie zählt die Mehrheit, wer wollte das infrage stellen? Dennoch traute sich der amerikanische liberale Philosoph John Dewey das Mehrheitsprinzip „a foolish rule“ zu nennen. Weil es allein keine wirkliche Legitimität verschafft. „Das Mehrheitsprinzip, rein als Mehrheitsprinzip, ist so lächerlich, wie seine Kritiker es zu sein bezichtigen. Aber es ist niemals nur Mehrheitsprinzip.“ Dewey ist also selbstverständlich nicht gegen das Mehrheitsprinzip. Aber dieses allein ist noch nicht die Demokratie, wenn es nicht von anderen Regeln begleitet wird. Und die (ebenfalls) amerikanische (und ebenfalls) liberale Philosophin Cristina Lefont bezeichnet in ihrem rezenten Buch „Unverkürzte Demokratie“ den Fokus auf das alleinige Mehrheitsprinzip eben als „verkürzte Demokratie“.

Für beide liberalen (!) Philosophen reicht das Mehrheitsprinzip nicht als Kriterium einer „deliberativen“ Demokratie. Denn der faire Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ist die unabdingbare Voraussetzung für (und vor) Mehrheitsentscheidungen. Wenn das stimmt, dann war die Debatte um den alternativen Verfassungsentwurf keine Sternstunde der deliberativen Demokratie - zumindest was den Großteil der Interventionen betrifft.

Populismus von ehrwürdigen Staatsparteien

Wenn, andererseits der sogenannte Populismus sich dadurch auszeichnet (wie ich immer wieder höre), dass er komplexe Sachverhalte in demagogischer Absicht auf kurze Formeln reduziert, dann erlebte die Chamber an jenem Nachmittag einige frappierende Beispiele von Populismus. Und sie kamen nicht einmal von der ADR. Sondern von den Sprecher/innen der großen, ehrwürdigen Staatsparteien.

Zwar lobten alle die Arbeit der Linken - „en déiwe Respekt virun där intellektueller Aarbecht“ (Léon Gloden, CSV), und wir wollen glauben, dass das Lob auch ehrlich gemeint war.  Aber nur wenige (vor allem der Sprecher der Grünen) setzten sich ernsthaft und argumentativ mit den inhaltlichen Schwerpunkten auseinander. Streckenweise musste man meinen, der Entwurf bestehe nicht aus 200, sondern aus zwei oder drei Artikeln: die Republik, das Wahlrecht für Ausländer - und noch die Möglichkeit der Verstaatlichung (Simone Beissel, DP).

Es schien leichter zu sein, die Monarchie zu verteidigen, als sich mit den vielen neuen individuellen oder sozialen Rechten oder neuen demokratischen Institutionen und Prozeduren auseinanderzusetzen.

Obwohl die Frage der Staatsform (Monarchie oder Republik) nur ein winziger Teil des Ganzen war, wurde er zum Riesenpopanz aufgeblasen. Es schien leichter zu sein, die Monarchie zu verteidigen, als sich mit den vielen neuen individuellen oder sozialen Rechten oder neuen demokratischen Institutionen und Prozeduren auseinanderzusetzen. Es schien aber nur: Denn die Verteidigung der Monarchie stand auf schwachen Füßen. Das Hauptargument war die „Tradition“, „verankert in der Geschichte“ (Mars Di Bartolomeo, LSAP). Also, was besteht, ist allein dadurch legitim, dass es besteht. 

Es klang wie ein Rückfall hinter die „Aufklärung“. Denn für sie (und seit ihr) gilt die „Tradition“ als legitimierendes Argument eigentlich nicht mehr. Denn was ließe sich nicht alles durch die „Tradition“ rechtfertigen: von der Todesstrafe über die Unterordnung der Frau bis zur Überlegenheit des weißen Mannes. Die liberale Abgeordnete Simone Beissel verwies auf das Referendum von 1919, durch das die Monarchie wohl ewigen Bestand haben sollte. Dabei gehört zum Kern der Demokratie, dass einmal gefasste Beschlüsse auch abgeändert und aus Minderheiten Mehrheiten werden können.

Dabei gehört zum Kern der Demokratie, dass einmal gefasste Beschlüsse auch abgeändert und aus Minderheiten Mehrheiten werden können.

Die Monarchie wird so in Stein gemeißelt, eigentlich zum Mythos verklärt, dem man mit rationalen Argumenten nicht mehr beikommen kann. Dabei passt die Berufung auf Tradition und Mythos weniger zur Sozialdemokratie und zum Liberalismus als zum Arsenal der alten und neuen Rechten.

IPO , Abschluss Eintragung Listen Referendum über Verfassung , Gemeinde Luxemburg , Foto:Guy Jallay/Luxemburger Wort
Was die Verfassungsreform bringen wird

Die letzten Kapitel der Verfassungsreform werden in zweiter Lesung verabschiedet. In sechs Monaten tritt das neue Grundgesetz in Kraft.

Natürlich ist die Monarchie nicht nur schmückendes Beiwerk. Sie hat eine Funktion, auch dann, wenn in einer parlamentarischen Demokratie ihre Macht stark eingeschränkt ist. „Der parlamentarische König wird trotz seiner Machtlosigkeit konserviert, vor allem, weil er durch seine bloße Existenz und dadurch, dass die Gewalt ‘in seinem Namen’ ausgeübt wird, die Legitimität der bestehenden sozialen und Besitz-Ordnung kraft seines Charismas garantiert und alle ihre Interessenten die Erschütterung des Glaubens an die ‘Rechtmäßigkeit’ dieser Ordnung als Folge seiner Beseitigung fürchten müssen.“

Die Monarchie als Garantin, wenn auch nur symbolische, der bestehenden „Besitz-Ordnung“.  Das wäre zumindest ein ehrliches Argument gewesen. Und hätte auch gut gepasst zur Ablehnung des alternativen Entwurfs, der diese Besitz-Ordnung und die Unantastbarkeit der sozialen und ökonomischen Verhältnisse infrage stellt.

Verpasste Chance

Nicht nur Déi Lénk haben bedauert, dass mit der mehrheitlichen Revision eine Chance verpasst wurde. Nämlich die Ausweitung und Vertiefung der individuellen und sozialen Grundrechte und deren Schutz.

Ein Beispiel unter vielen. Die konsultative Kommission für Menschenrechte schrieb in ihrem Gutachten: „… la proposition de révision constitutionnelle adopte une approche minimaliste, opérant quelques modifications du texte actuellement existant, sans saisir toutes les opportunités de renouvellement et d’évolution qu’une refonte constitutionnelle permet d’opérer. La protection offerte par la Constitution luxembourgeoise se trouve ainsi à plusieurs reprises en-dessous du niveau de protection accordé par les traités internationaux.“

Aber wer hatte schon Lust und Zeit, sich solchen kritischen Stimmen zu widmen? Der Sprecher der CSV verwies als große Neuerung auf einen Artikel über den „Sozialdialog“, ohne zu erklären, was das auch immer für neue Rechte bedeuten sollte. Mars Di Bartolomeo (LSAP) ersparte sich die inhaltliche Auseinandersetzung, indem er versuchte, die vielen angeblichen Gemeinsamkeiten zwischen der mehrheitlichen und der alternativen Version herbeizureden.

Wie groß die grundsätzlichen Unterschiede in Wirklichkeit sind, vor allem in puncto soziale Rechte, sei an einem Beispiel illustriert. In der mehrheitlichen Version heißt es in Artikel 27: „La sécurité sociale, la protection de la santé et les droits des travailleurs sont réglés par la loi quant à leurs principes.“

Über ein Gesetz können also mit einfacher parlamentarischer Mehrheit (wie bis heute) Kernelemente des Sozialstaats geregelt - heißt also auch abgebaut oder gar abgeschafft werden. In der alternativen Version von Déi Lénk sind dagegen Recht auf Arbeit, auf Wohnung, auf soziale Versicherung, auf Mitbestimmung usw. als „droits fondamentaux“ festgeschrieben. Das heißt, sie können zumindest nur mit einer qualifizierten parlamentarischen Mehrheit (zwei Drittel) oder über ein Referendum abgeschafft werden. Einen zusätzlichen Schutz der Grundrechte würde das vorgeschlagene Verfassungsgericht bieten, das auch die einzelnen Bürger/innen anrufen können.

Schon die Art und Weise, wie (dank der CSV) der zusammenhängende Entwurf der Kommissionsmehrheit zerstückelt wurde, um an der Frage des Referendums vorbeizukommen, war einer Verfassungsrevision nicht würdig. Ebenso wenig das Niveau der Debatte um eine mögliche Alternative.

 * Der Autor ist ehemaliger Abgeordneter von Déi Lénk.

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