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Unser Energiebedarf ist nicht durch Ideologie zu stillen

Der Autor warnt vor irrealistischen Klimazielen in Europa, die mit der Deindustrialisierung der EU und der Verarmung der Europäer enden würden.

Analyse und Meinung

Der Autor warnt vor irrealistischen Klimazielen in Europa, die mit der Deindustrialisierung der EU und der Verarmung der Europäer enden würden.

Von Robert Goebbels *

Ohne gesicherte Energie-Zufuhr kommt die Menschheit nicht aus. Laut der amerikanischen Klimatologin Judith Curry will jeder „billige, reichliche, zuverlässige, sichere und saubere Energie“. Bei all diesen Objektiven hapert es zunehmend. Die Energie-Versorgung wird teurer, rarer, unverlässlicher, unsicherer. Die neuen energetischen Zwänge beflügeln nicht einmal die sauberen Energien.

In der Europäischen Union hieß das Zauberwort „Energie-Wende“. Weg von den fossilen Energien, hin zu den „Erneuerbaren“, zur Kraft von Sonne, Wind und Wasser. Vorreiter für diese Politik war die Bundesrepublik Deutschland. Die ihre Kohlengruben schloss, ihre Kern- wie Kohlekraftwerke abschalten wollte. Mit 500 Milliarden Euro Subventionen wurde der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie vorangetrieben. Trotz dieser enormen Anstrengung gelang es den Deutschen nicht, ihre Versorgung an elektrischer Kraft ausschließlich durch Erneuerbare abzusichern. Die Bundesrepublik hat weiterhin nach Polen die schlechteste Klima-Bilanz in der EU.

This photograph taken on December 11, 2022 shows storage tanks at the facilities of the oil products company Exolum at the port of Barcelona. (Photo by Pau BARRENA / AFP)
IEA-Chef: „Russland hat die Energieschlacht verloren“

Russland könne Europa als größten Abnehmer nicht einfach durch Asien ersetzen, sagt Fatih Birol, Chef der Internationalen Energieagentur.

Als Übergangs-Energie musste Erdgas herhalten, günstig aus Russland bezogen. Erdgas ist eine fossile Energie, stößt aber weniger CO₂ aus als Kohle oder Erdöl. Selbst die Umweltorganisation Greenpeace bot über ihre Tochter Greenpeace-Energy „grünes“ Erdgas an. Angereichert durch Wasserstoff, angeblich mittels überschüssiger Windkraft erzeugt. 2020 stellte sich heraus, dass das über die Firma „Pro Windgas“ gelieferte Erdgas bloß zu 0,67 Prozent aus grünem Wasserstoff bestand. Der Rest war russisches Gas. Greenpeace kappte die direkte Verbindung zur Mogelpackung. Die nunmehr von der Firma „Green Planet Energy“ vertrieben wird. Mit Sitz an der gleichen Adresse wie Greenpeace Hamburg.

Energie-Wende mit mehr Klimagasen

Die Erneuerbaren mögen auf dem Vormarsch sein. Dennoch sind sie nicht auf Bedarf verfügbar. Das zeigt die derzeitige Energiekrise. Der Verzicht auf russisches Erdgas zwang Deutschland zur Reaktivierung von bereits still gelegten Kohlekraftwerken und zur Verlängerung der Laufzeit der drei verbleibenden Kernkraftwerke.

Besonders der weltweit verstärkte Rückgriff auf Kohle zur Gewinnung von Elektrizität verschlechterte 2022 und wahrscheinlich auch 2023 die Bilanz bei den Klimagasen. Die jedenfalls 2022 weltweit zunahmen.

Es ist nicht alles grün, was glänzt: Viele grüne Anlagen halten nicht das, was sie versprechen.
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Regierung und Finanzbranche sollen ambitionierte Maßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Krisen treffen, fordert die Autorin. Dies sei von globaler Bedeutung – auch für den Finanzsektor selbst.

Zwar verzehnfachte sich die Erzeugung von Sonnen- und Windenergie zwischen 2010 und 2020. Aber nur zur Gewinnung von Elektrizität. Der primäre Energiebedarf der Menschheit ist viel höher. Bedingt durch weitere zwei Milliarden Menschen sowie einer hoffentlich besseren Versorgung der Armen dieser Welt wird der Bedarf bis 2050 um zirka 20 Prozent steigen. Deshalb wird es keinen schnellen Abschied von der fossilen Energie geben. Deren Anteil an der global genutzten Primärenergie bei 84 Prozent liegt. Kernenergie und Wasserkraft steuern gemeinsam zehn Prozent CO₂-freie Energie zum globalen Mix bei. Wind und Solar bloß um die vier Prozent.

Es ist völlig illusorisch, nur auf den Ausbau von Wind und Sonne zu setzen.

Es ist deshalb völlig illusorisch, nur auf den Ausbau von Wind und Sonne zu setzen, wie Deutschland, und im Schlepptau Luxemburg, es vorträumen. Oder von „grünem Wasserstoff“ zu faseln, produziert auf noch zu bauenden Windpark-Inseln. Wobei das Problem der Verflüssigung des Wasserstoffs vor Ort und dessen Transport über viele Kilometer rauer See nicht geklärt sind. Die Endverteilung von flüssigem oder gasifiziertem H₂ wird zudem sehr kostspielig.

Auf die Wissenschaft hören

Die radikalen Klimaaktivisten, welche Gemälde mit Suppe bewerfen oder sich an viel befahrenen Straßen festkleben, fordern die dringliche Umsetzung der „wissenschaftlichen Erkenntnisse“ des Weltklimarates. Wie die meisten Politiker und Journalisten haben die Klima-Eiferer die Berichte des IPCC nicht gelesen. Sonst wüssten sie, dass die Wissenschaftler des Klima-Rates den Begriff „Katastrophe“ nicht verwenden. Auch setzt der IPCC zum Verhindern eines zu hohen Anstiegs der Temperaturen nicht allein auf Dekarbonisierung. Die Wissenschaftler plädieren ebenfalls für eine verstärkte Nutzung der CO₂-freien Kernenergie. Vor allem fordern sie das Abscheiden und Lagern von CO₂. „Carbon Capture, Utilisation and Storage“ steht implizit für eine weitere Nutzung von Kohle, Gas und Öl. Bloß mit weniger, oder wenn möglich, ohne CO₂-Emissionen.

Unter dem Einfluss der deutschen Endzeitpropheten setzt sich die Europäische Union völlig unrealistische Klimaziele. Die mit der Deindustrialisierung der EU und der Verarmung der Europäer enden werden. Dagegen gehen die wichtigsten asiatischen Länder viel pragmatischer vor. 

Wirtschaft , Claude Turmes , Energiesituation Foto: Anouk Antony/Luxemburger Wort
„Für diesen Winter sind wir wohl über den Berg“

Die EU hat ein neues Maßnahmenpaket gegen die Energiekrise auf den Weg gebracht. Claude Turmes ist zuversichtlich für die kommenden Monate.

Nachdem ein Tsunami in Fukushima zur Kernschmelze von drei Reaktoren geführt hatte, beschloss die Bundesrepublik den totalen Ausstieg aus der Atomenergie. Nicht so Japan, das weiterhin auf Atomkraft setzt. Obwohl es Atombomben waren, welche Hiroshima und Nagasaki auslöschten. Doch lernten die Japaner den Umgang mit Katastrophen. Trotz Radioaktivität wurden Hiroshima und Nagasaki vor Ort wieder aufgebaut. Auch um Fukushima normalisiert sich das Leben. Zumal es keine direkten Toten durch den Reaktorunfall gab.

Auf neue Technologien setzen

Vor allem setzten die Japaner auf neue Technologien, um ihre Emissionen zu reduzieren. Mit staatlicher Unterstützung arbeiten japanische Automobil-Firmen an synthetischen Kraftstoffen. Im Rest der Welt wird der Verbrennungsmotor das von der EU für 2035 beschlossene Aus für Benzin- und Dieselfahrzeuge überleben. Die europäische Automobilindustrie, einst die Nummer eins, wohl kaum.

So setzen die Japaner auf „blauen“ Wasserstoff auf Erdgasbasis. Ein japanisches Konsortium errichtete eine Anlage, die Erdgas in Wasserstoff umwandelt. Das dabei anfallende C02 wird zur Druckerhöhung bei der Förderung von Erdöl eingesetzt. Der Wasserstoff selbst wird in Ammoniak umgewandelt. Während reiner Wasserstoff erst mit einem hohen Energie-Aufwand bei -235 Grad Celsius verflüssigt werden kann, genügen bei Ammoniak schon -35 Grad Celsius. In Japan wird Ammoniak zur Erzeugung von Strom verbrannt. Die massiv anfallenden Stickoxide werden abgeschieden. Japan importiert ebenfalls „grauen“ Wasserstoff aus Australien und Brunei. Gewonnen durch Dampfreformierung aus Kohle oder Erdöl.

Solche Techniken erfordern selbstverständlich „Carbon Capture“. Mit Abscheidung und Sequestrierung von CO₂ sind vor allem die Chinesen den Europäern und Amerikanern mehrere Längen voraus. Im Juni 2022 wurde mit der Deponierung von CO₂ in einem früheren Ölfeld begonnen. In Planung ist die Sequestrierung von CO₂ in Sedimentgesteinen im Meer vor Hongkong. Mit einer Kapazität von über 620 Milliarden Tonnen CO₂. 

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Frankreich prüft den Bau von deutlich mehr Atomkraftwerken

Frankreich prüft den Bau von mehr als 14 neuen Atomkraftwerken bis zum Jahr 2050 - mehr als bisher angekündigt. Auch Laufzeiten werden überdacht.

In vielen europäischen Staaten, etwa Deutschland und Frankreich, ist Sequestrierung ebenso verboten wie die Nutzung der in Europa massiv vorhandenen Schiefergas-Vorkommen. Was die EU nicht abhält, aufwendig verflüssigtes Schiefergas aus den USA zu importieren. Da Präsident Joe Biden in seiner widersprüchlichen Klimapolitik keine neuen Shale-Gas-Bohrungen auf staatlichem Land erlaubt, gleichzeitig aber dessen Export fördert, riskieren die USA in einigen Jahren einen Produktionsengpass.

Doch Alternativen gibt es zusehends. Argentinien, Kanada und China erschließen massiv Shale-Gas-Felder. Saudi-Arabien startete mit der Ausbeutung eines Schiefergas-Vorkommens von geschätzten 5.700 Milliarden Kubikmeter. Was den deutschen Verbrauch während 57 Jahren decken könnte. Doch Minister Robert Habeck (Die Grünen) will nicht nur auf Atomenergie und Kohle verzichten. Bis spätestens 2045 soll auch Schluss mit Erdgas sein.

Professor Fritz Vahrenholt, aus dessen Buch „Die große Energiekrise (und wie wir sie bewältigen können)“ die aufgeführten Zahlen stammen, zitiert den israelischen Energie-Experten Amit Mor: „Der Konsum von Erdgas wird bis tief ins 22. Jahrhundert bestehen bleiben.“ Israel gehört jedenfalls zu den Staaten, welche die vor ihrer Küste entdeckten Gasfelder nutzen werden. Noch unter Führung der linken Ikone Jacinda Ardern stellte selbst die neuseeländische Regierung neue Genehmigungen für die Öl- und Erdgas-Suche in den Hoheitsgewässern des Landes aus.

In Europa sind Energie- und Klimapolitik rein Ideologie-getrieben. Das wird schiefgehen. Der Rest der Welt schert sich nicht um unsere angebliche „Vorreiter-Rolle“.  Will bestenfalls unser Geld sehen. Die großherzogliche Regierung ist sehr spendabel. Unser Parlament bewilligte bereits 30 bis 60 Millionen Euro für die Beteiligung an einer geplanten dänischen Insel. Wo frühestens ab 2030 mittels Windkraft Wasserstoff produziert werden soll. Der uns nie erreichen wird. Wir bekommen nur Zertifikate zur Verschönerung unserer Klima-Bilanz. 

Das Gleiche passiert mit den 40 Millionen Euro, die Luxemburg nunmehr in Fotovoltaik-Projekte in Finnland investiert. Laut Minister Claude Turmes (Déi Gréng) kann Finnland mit jährlich 850 bis 950 Stunden „voller Leistung“ ähnlich viel Solarenergie produzieren, wie Luxemburg mit seinen leistungsstarken 950-1.050 Stunden Sonne. Ein Kalenderjahr dauert jedoch 8.760 Stunden. Wäre es nicht intelligenter, unser Geld beispielsweise in Marokko zu investieren, wo die Sonne jährlich um die 3.500 Stunden anzuzapfen ist?

Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte der Nutzung von Energie. Ohne gesicherte Energie-Zufuhr bricht unsere Zivilisation zusammen. Die derzeitigen Technologien sind ungenügend, um die hehren Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig die Versorgung von immer mehr Menschen zu gewährleisten. Deshalb sollten wir offen sein für alle neue Technologien. Selbstverständlich auch für Atomenergie und nukleare Fusion. 

* Der Autor ist ehemaliger LSAP-Minister und -Europaabgeordneter

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