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Seit Jahrzehnten stehen iranische Kurden an der Spitze von Protesten. Das Regime geht brutal vor - und schürt Sorgen um einen neuen Krieg.

Die Kurden

Seit Jahrzehnten stehen iranische Kurden an der Spitze von Protesten. Das Regime geht brutal vor - und schürt Sorgen um einen neuen Krieg.

Von Michael Wrase

Die seit mehr als zwei Monaten anhaltenden Proteste gegen das Regime in Teheran hätten „in weniger als einer Woche beendet werden können“, wenn die Sicherheitskräfte der islamischen Republik nicht „Zurückhaltung geübt“ hätten. Die gezeigte „Geduld und Nachsicht“, verkündete der stellvertretende Kommandant der iranischen Revolutionsgardisten, Ali Fadavi, in der vergangenen Woche, sei nun aber zu Ende. „Die gedungenen Mörder müssen unterdrückt werden“, forderte die Tageszeitung Kayhan, deren Herausgeber Hossein Schariatmadari ein enger Vertrauter von Irans Revolutionsführer Ali Khamenei ist.

Candles and pictures of Mahsa Amini are placed at a memorial during a candlelight vigil for Mahsa Amini who died in custody of Iran's morality police, in Los Angeles, California, September 29, 2022. - Amini's death after her arrest by Iran's morality police has sparked a wave of unrest since the 22-year-old died on September 16 after her arrest for allegedly failing to observe Iran's strict dress code for women. The street violence has led to the deaths of dozens of people -- mostly protesters but also members of the security forces -- and hundreds of arrests. (Photo by RINGO CHIU / AFP)
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Die Marschrichtung ist damit klar. Als „gedungene Mörder“ werden im Iran vor allem die Kurden des Landes verunglimpft. Sie waren zu Tausenden auf die Straßen gegangen, nachdem am 16. September in einem Gefängnis der Sittenpolizei die 21 Jahre alte Kurdin Mahsa Amini zu Tode geprügelt worden war. Die Revolte weitete sich rasch auf das ganze Land aus. Zentren der Proteste sind jedoch bis heute die an Zentral – und Nord-Irak grenzenden Provinzen im Westen des Landes. Viele Städte und Dörfer werden dort inzwischen von der Protestbewegung kontrolliert.

Auch in Istanbul gingen im September Tausende Menschen im Gedenken an Mahsa Amini auf die Straße.

Auch in Istanbul gingen im September Tausende Menschen im Gedenken an Mahsa Amini auf die Straße.

Foto: AFP

Die zur „Verteidigung der Islamischen Republik“ geschaffene Revolutionsgarde hat in den letzten Wochen Tausende von Soldaten, Hunderte von Panzern sowie anderes schweres Kriegsgerät in die Region verlegt. Von der kurdischen Menschenrechtsorganisation Hengaw unlängst verbreitete Video-Clips zeigen kilometerlange Militärkonvois, welche von Helikoptern mit Bordkanonen eskortiert wurden.

450 getötete Menschen

Nach Erkenntnissen der NGO seien in der Woche vom 15. bis 21. November mindestens 42 Kurdinnen und Kurden durch direkten Beschuss der iranischen Regierungstruppen getötet und mehr als 1.500 weitere verletzt. 40 von ihnen sollen durch „einen direkten Beschuss der Regierungstruppen getötet“ worden sein, „der hauptsächlich auf den Kopf und den Brustbereich abzielte“. 

Die Zahl der während der Proteste vom Regime getöteten Menschen ist damit auf über 450 gestiegen. Mehr als 70 Prozent von ihnen sollen Kurdinnen oder Kurden sein. Sie werden vom Regime als „Separatisten“ verunglimpft. Ihr Ziel sei die Abspaltung der kurdischen Regionen vom Rest des Landes. Da die „Terroristen“ vom Ausland unterstützt würden, heißt es in Teheran, müsse die Sezessionsbewegung mit aller Härte bekämpft werden.

Die Kerngebiete der Kurden

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Grafik: Christian Mertes

Um die „Entschlossenheit“ des Regimes zur „Bekämpfung der Verschwörung“ zum Ausdruck zu bringen, wurden in den beiden ersten Novemberwochen die nordirakische Millionenstadt Erbil sowie Bergregionen unweit der Grenze zum Iran mit 20 Mittelstreckenraketen beschossen. Auch Drohnen kamen zum Einsatz. Als Ziele wurden Stützpunkte iranisch-kurdischer Guerillaorganisationen genannt. Diese führen seit mehr als 30 Jahren vom Nord-Irak aus Kommandooperationen gegen die verhasste iranische Revolutionsgarde aus.

Sorge um neuen Krieg

Beobachter in Teheran befürchten nun, dass das Regime einen Einmarsch der Revolutionsgardisten in den Nord-Irak anordnen könnte. Ein Indiz dafür könnte ein am Montag letzter Woche gestelltes Ultimatum des iranischen Botschafters in Bagdad an die irakische Regierung sein. Mohammed Kazem Al-Sadeq verlangte darin die Entwaffnung der militanten iranischen Kurden im Norden des Landes - wozu weder die Zentralregierung, noch die irakischen Kurden bereit oder in der Lage wären.

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Letztere dulden auch die türkische PKK auf ihrem Territorium. Ihre Stellungen werden seit Jahren regelmäßig von der türkischen Luftwaffe bombardiert, die seit mehreren Wochen auch die Positionen der syrischen Schwesterorganisation der PKK angreift. Wie in Teheran wurde unlängst auch in Ankara eine Bodenoffensive gegen „kurdische Terroristen“ (auf syrischem Territorium) angedroht.

Eine Invasion der iranischen Revolutionsgarde würde nichts anders als Krieg mit dem Nord-Irak bedeuten. Die dahinter stehende Absicht ist durchsichtig: Mit der Diffamierung und Bekämpfung der Kurden als Sezessionisten soll der iranische Nationalismus gestärkt werden, die massive Gewalt gerechtfertigt und gleichzeitig von den landesweiten Regimeprotesten abgelenkt werden. Aufgehen dürfte diese Rechnung vermutlich nicht. Wie groß die pan-iranische Solidarität mit den Kurden ist, zeigt nicht zuletzt die landesweite Übernahme der ursprünglich kurdischen Protest-Slogans „Frau, Leben, Freiheit“.

Mit der Diffamierung und Bekämpfung der Kurden als Sezessionisten soll der iranische Nationalismus gestärkt werden. 

Die Geschichte des kurdischen Widerstandes im Iran ist mehr als 100 Jahre alt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde im iranischen Mabadad mit Unterstützung der Sowjetunion sogar ein unabhängiger Kurdenstaat proklamiert, der nach 11 Monaten allerdings von der iranischen Armee wieder zerschlagen wurde. Fast zwei Jahre dauerte es, bis regimetreue Einheiten nach der islamischen Revolution 1979 den teilweise massiven Widerstand iranischer Kurdenorganisationen im Westen des Landes brechen konnten.

Der Henker von Kurdistan

Zur Niederschlagung der Aufstände hatte Sadegh Chalchali eingesetzt. In Schnellverfahren, die oft nur weniger als 20 Minuten dauerten, verurteilte der als „Blutrichter“ und „Henker von Kurdistan“ bekannt gewordene Geistliche mehr als 1.000 Kurden zum Tode. Sie wurden in der Regel sofort erschossen. Menschenrechte, hatte Chalchali damals mit einem diabolischen Grinsen verkündet, hätten „nur eine Bedeutung“: nämlich dass „ungeeignete Elemente ausgemerzt werden müssen, damit andere in Freiheit leben können“.

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Ältere Kurden erinnern sich mit Schrecken an Chalchalis Mordorgien. Sie befürchten nun eine Wiederholung der Geschichte. So wie Chalchali damals, erzählen sie, gebärdeten sich auch seine Nachfolger. Nur seien ihre Waffen moderner und damit noch tödlicher. Aus Angst vor neuen Massakern waren in den letzten Wochen bereits Hunderte von iranischen Kurden in den Nord-Irak geflohen.

Kurdische Menschenrechtsorganisationen rechnen mit Zehntausenden von Flüchtlingen, wenn, wie es sich gegenwärtig abzeichnet, das Regime seine angebliche „Zurückhaltung“ aufgibt und versucht, die Revolte in den westlichen Landesteilen endgültig niederzuschlagen.

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