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EU-Gipfel: Israel, Ukraine-Hilfen, Migration – die wichtigsten Themen in Brüssel

In Brüssel treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU am Donnerstag und Freitag zu einem Gipfel, der vom Krieg zwischen Israel und der Hamas überschattet ist. Doch die Befürchtung einer Eskalation im Nahen Osten wird nicht das einzige umstrittene Thema des Treffens sein. Ein Überblick

Israel: Aufruf zu Feuerpause oder nicht?

Das aktuellste Thema des Gipfels wird die Lage in Israel und dem Gazastreifen sein. Bereits am 15. Oktober hatten die EU-Mitglieder bei einem Sondergipfel die Angriffe der Hamas verurteilt und eine sofortige Freilassung der Geiseln gefordert. Für das kommende Treffen hat EU-Ratspräsident Charles Michel vor allem die Notwendigkeit in den Vordergrund gestellt, eine "vereinte und kohärente Front" zu bilden, was die Haltung der EU zu dem Konflikt betrifft.

Denn schon bei den Beratungen der EU-Außenminister am Montag hatten sich Differenzen gezeigt. Zwar gab es keine Meinungsunterschiede bei der Unterstützung von Israels Selbstverteidigungsrecht gegen die Hamas "im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht". Doch was das konkret bedeutet, interpretieren verschiedene Instanzen unterschiedlich: So hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell eine humanitäre Feuerpause gefordert, etliche Außenminister, darunter die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, schlossen sich dem aber nicht an.

Die Bundesregierung argumentierte am Mittwoch, dass es keine Waffenruhe geben könne, wenn die Hamas Israel täglich weiter beschieße. Die Frage sei eher, ob es "zeitlich und räumlich begrenzte" Lücken beim Beschuss geben könne, um Hilfslieferungen zu ermöglichen. Dafür setze sich die Bundesregierung ein, etwa mit der Forderung einer "permanenten und umfassenden" Öffnung des Grenzübergangs Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen. Israel lehnt seinerseits eine Feuerpause ab.

Dementsprechend dürfte Michels Hoffnung sein, eine gemeinsame Position zu den Lieferungen von Hilfsgütern in den weitgehend isolierten Gazastreifen zu entwickeln. "Wir müssen erörtern, wie wir dringend die wirksame Bereitstellung humanitärer Hilfe und den Zugang zu den grundlegendsten Bedürfnissen sicherstellen können", heißt es in der Einladung des Ratspräsidenten an die Regierungschefs. 

Laut Diplomaten zeichnet sich hier als möglicher Kompromiss der Begriff von "humanitären Pausen" ab. Die Formulierung im Plural solle deutlich machen, dass die EU Israel nicht auffordert, den Kampf gegen die Hamas sofort einzustellen. Vor allem Deutschland und Österreich wollen diesen Eindruck unbedingt vermeiden. Spanien und Irland gelten hingegen als Unterstützer eines Aufrufs für einen sofortigen Waffenstillstand.

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Ukraine: Bundesregierung will Finanzhilfen fest verankern

Ursprünglich sollte der russische Krieg gegen die Ukraine und die Unterstützung des Landes durch die EU im Fokus des Gipfels stehen, ehe die Eskalation im Gazastreifen das Thema von der Bildfläche schob. Ratspräsident Michel zeigte sich in seinem Einladungsschreiben an die Regierungschefs des Themas bewusst: Der Nahostkonflikt dürfe nicht "von unserer anhaltenden Unterstützung der Ukraine ablenken", teilte er mit. Erwartet wird, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj

Ein Ziel des Gipfels ist weiterhin, eine dauerhafte Finanzierung der Ukraine-Hilfe zu erwirken. Ein geplantes Paket von insgesamt 70 Milliarden Euro für mehrere Jahre ist allerdings nicht beschlussreif. Alleine an Wirtschaftshilfen forderte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Summe von 50 Milliarden Euro. Außenbeauftragter Borrell schlug zusätzlich 20 Milliarden Euro für Waffenkäufe für die Ukraine vor.

Aus Berlin hieß es, die Bundesregierung unterstütze grundsätzlich diese Größenordnung und habe "eine klare Präferenz für Zuschüsse" anstelle von Darlehen, damit sich die Ukraine nicht weiter verschuldet. Zusätzliche Haushaltsmittel sind allerdings wegen der klammen Finanzlage, in der sich viele Mitgliedsländer befinden, schwierig. Erwartet wird, dass es zu Umschichtungen im EU-Budget kommt, was allerdings die Zustimmung aller Mitglieder erfordert.

Die Ukraine hofft für 2024 eine Wiederholung der Budgethilfe von 18 Milliarden Euro, die sie bereits für dieses Jahr von der EU erhalten hatte. Die Bundesregierung will darauf dringen, dass die langfristige Hilfe für die Ukraine fest im mehrjährigen Finanzrahmen der EU verankert wird. Das habe "höchste Priorität", sagte ein deutscher Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters.

Dafür hofft Bundeskanzler Olaf Scholz auf eine feste Zusage spätestens im Dezember beim nächsten EU-Gipfel. Eine Überarbeitung des bis 2027 laufenden mehrjährigen Finanzrahmens ist bis zum 1. Januar 2024 vorgesehen.

Für die Ukraine ist die Finanz- und Militärhilfe der EU derzeit so wichtig wie wohl nie zuvor. Grund dafür ist die Blockade im Kongress der USA, des nach absoluten Zahlen größten Unterstützers des Landes. Zwar hat US-Präsident Joe Biden das Parlament um die Bewilligung eines Hilfspakets von mehr als 100 Milliarden US-Dollar für die Ukraine und Israel gebeten – doch bis zur Wahl eines neuen Vorsitzenden im Repräsentantenhaus ist die Kammer nicht beschlussunfähig. 

Und auch sobald es einen Vorsitzenden gibt, ist nicht klar, ob die Republikaner, die in der Kammer die Mehrheit haben, derartig umfassenden Hilfen zustimmen. Die Befürchtung, die US-Amerikaner könnten im November 2024 erneut den russlandfreundlichen Ex-Präsidenten Donald Trump oder einen anderen Republikaner vom rechten Rand der Partei zum Staatsoberhaupt wählen, machen eine Aussicht auf langfristige EU-Unterstützung umso wichtiger für die Ukraine. 

Die meisten EU-Staaten sehen eine dauerhafte Unterstützung der Ukraine ebenfalls als notwendig an. Allerdings könnte ein Beschluss von weniger überzeugten Mitgliedsländern blockiert werden. Vor allem der ungarische Regierungschef Viktor Orbán zeigte sich zuletzt immer ablehnender gegenüber der Unterstützung des Landes und traf sich jüngst demonstrativ mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in China. Doch auch in der Slowakei, einem bislang zuverlässigen Unterstützerstaat, könnte der neue Regierungschef Robert Fico einen Kurswechsel einleiten. Der Linksnationalist hatte im Wahlkampf angekündigt, Waffenhilfen für die Ukraine zu beenden.

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Migration: Appell der Kommissionspräsidentin

Nach Angaben der EU-Kommission sind seit Jahresbeginn fast 195.000 Migrantinnen und Migranten irregulär eingereist. Damit sind es mehr als in jedem Jahr seit 2016, als die Zahl mit mehr als 370.000 noch höher lag. Mit einer Asylreform, die unter anderem die Umverteilung von Migranten und Flüchtlingen zwischen EU-Ländern vorsieht, will die Kommission der Lage Herrin werden. Allerdings scheiterte eine Erklärung dazu Anfang Oktober beim Veto Polens und Ungarns beim vergangenen EU-Gipfel in Granada.  

Bei der Unterbindung von irregulärer Migration setzt die EU auf bilaterale Abkommen mit Herkunfts- und Transferländern vor allem in Nordafrika. In Verbindung damit hat Kommissionspräsidentin von der Leyen am Mittwoch an die Staats- und Regierungschefs appelliert, die Zusammenarbeit mit Ägypten zu intensivieren.

"Das Land nimmt eine wachsende Zahl von Flüchtlingen auf und wir haben die Pflicht, es zu unterstützen", schrieb von der Leyen an die Gipfelteilnehmer. Zudem spiele Ägypten eine entscheidende Rolle für die Sicherheit und Stabilität im Nahen Osten. Es müsse eine Priorität sein, eine "strategische und für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaft" aufzubauen, schrieb die Politikerin. Auch müssten weitere Länder wie die Türkei, Jordanien und der Libanon besonders unterstützt werden.

Die EU und Ägypten hatten bereits im vergangenen Jahr ein Abkommen geschlossen, um unerwünschte Migration über das Mittelmeer einzudämmen. Eine umstrittene Vereinbarung hatte die EU auch mit Tunesien getroffen: Im Gegenzug für millionenschwere Finanzhilfen sollte das nordafrikanische Land stärker gegen Schlepper vorgehen. Wegen Menschenrechtsverletzungen, die der tunesischen Regierung vorgeworfen werden, erfuhr die Vereinbarung viel Kritik.

Weil sich die Position von etwa Polen und Ungarn seit Anfang Oktober kaum verändert haben dürfte, ist es unwahrscheinlich, dass es bei dem Gipfel zu einem Durchbruch beim Migrationsthema kommt. Verkompliziert wird das Thema wiederum mutmaßlich von den Auswirkungen des Nahostkonflikts. 

Ratspräsident Michel hatte bereits vor dem Sondergipfel am 15. Oktober und erneut im Einladungsschreiben zum Gipfel am Donnerstag und Freitag davor gewarnt, dass der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Fall einer Eskalation "Migrationsbewegungen" provozieren könne. Dabei geht es aber weniger um Zuwanderung in die EU, als um Flucht innerhalb des Nahen Ostens.

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Weitere Themen: Wettbewerb, Haushalt, Westbalkan

Neben den großen Themenkomplexen Israel, Ukraine und Migration wollen die Staats- und Regierungschefs über mehrere weitere Fragen beraten. Dazu gehören nach Angaben von Michel etwa die Wettbewerbspolitik der EU. Sie sei davon bedroht, dass "andere internationale Akteure und Partner ihre Industrie und Unternehmen stark subventionieren."

Auch ist die Frage des gemeinsamen langjährigen EU-Haushalts nicht mit dem Bereich der Ukraine-Hilfen erschöpft. So berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Verweis auf deutsche Regierungskreise, man habe sich über viele Ausgabenvorschläge der EU-Kommission gewundert. Die Bundesregierung wolle erreichen, dass Umschichtungen im Haushalt und nicht zusätzliche Beiträge der Mitgliedsstaaten die erhöhten Zinskosten der von der EU aufgenommenen Kredite finanzieren. 

Geldpolitik wird ebenfalls zu den Themen des Gipfels gehören. Ratspräsident Michel kündigte Gespräche mit der Europäischen Zentrlbank und der Eurogruppe an, "um die Wirtschafts- und Finanzlage sowie die weiterhin enge Koordinierung und Steuerung unserer makroökonomischen Politik" zu besprechen. Auch die "begonnenen Arbeiten an einem digitalen Euro" sollen Thema der Gespräche sein.

Am Rande des Gipfels wollen weiterhin Serbiens Präsident Aleksandar Vucic und der kosovarische Regierungschef Albin Kurti mit mehreren EU-Spitzenpolitikern über Lösungen im Konflikt zwischen den beiden Balkan-Staaten beraten. Ziel des Treffens sei eine "Wiederaufnahme des Dialogs", sagte ein Sprecher des Außenbeauftragten Borrell. Zuletzt hat es erneut gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den beiden Staaten gegeben, bei denen nach einem serbischen Angriff ein kosovarischer Polizist und drei der Angreifer starben.

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