Schutz und Förderung jüdischen Lebens
Xavier Bettel mit der Antisemitismusbeauftragten der EU-Kommission, Katarina von Schnurbein. Sie lobte Luxemburgs Entschuldigung für jüdisches Leid während der Nazi-Besatzung als „Beginn jeder Versöhnung“. Foto: Anouk Antony
„Ich habe mich 2015 im Parlament für das Leid entschuldigt, das der jüdischen Gemeinschaft angetan wurde. Meine Aussage, dass wir nicht alle Helden waren, hat den ein oder anderen schockiert und ich bekam nicht nur Lob dafür“, sagte Premierminister Xavier Bettel (DP) am Dienstag, als er den Plan d’action de lutte contre l’antisémitisme (Panas) vorstellte. „Aber auch das gehört zu unserer Geschichte – zu sagen, wir waren nicht alle Helden. Auch wir hatten Leute, die mitgemacht haben und wir sollten auch alle Facetten der Geschichte kennen.“
Der Panas ist im Abkommen vorgesehen, das die Regierung im Januar 2021 mit dem jüdischen Konsistorium Luxemburgs unterzeichnete und bei dem es um die offenen Fragen in Verbindung mit dem Raub jüdischen Eigentums während der Shoa geht. Und er wurde gemeinsam mit dem Konsistorium ausgearbeitet. Luxemburg reiht sich damit als elftes Land in die EU-Mitgliedsstaaten ein, die die Strategie der EU-Kommission zum Kampf gegen Antisemitismus aus dem Jahr 2021, konkret mit einem Aktionsplan umsetzen.
Luxemburg ist elftes Land mit Aktionsplan
Und so stand am Dienstag die Antisemitismusbeauftragte Katharina von Schnurbein an der Seite von Bettel. Sie wurde 2015 von der Juncker-Kommission zur Koordinatorin der Europäischen Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus und der Förderung jüdischen Lebens ernannt.
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„Fast 80 Jahre nach dem Holocaust könnte man meinen, dass wir dem Antisemitismus ein Ende bereitet hätten. Stattdessen erleben wir in den vergangenen Jahren einen Zuwachs an antisemitischen Verschwörungsmythen und Gedankengut am rechten und linken extremistischen politischen Rand, aber auch aus der Mitte der Gesellschaft heraus“, betonte sie. Das sei Besorgnis erregend.
Europaweit empfinden neun von zehn Juden diesen Zuwachs und jeder zweite EU-Bürger sagt, Antisemitismus sei ein Problem in seinem Land. Das Internet wird im selben Maß als Einfallstor Nummer eins direkt in die Wohnzimmer bezeichnet. Mit dem Digital Services Act der EU müssen Plattformen nun viel transparenter gegenüber ihren Nutzern rechtfertigen, wie sie zum Wohl der Gesellschaft beitragen und diese nicht durch die Verstärkung von Hassrede in Gefahr bringen.
Antisemitismus wird oft als Problem von Juden gesehen, es ist aber kein Problem von Juden, sondern für Juden und somit für uns alle.
Katarina von Schnurbein
Antisemitismusbeauftragte der EU-Kommission
Die EU-Strategie beinhaltet neben der Bekämpfung von Antisemitismus aber auch die Förderung jüdischen Lebens. „Alles, was zur Umsetzung der Strategie passiert, muss dazu dienen, dass Jüdinnen und Juden in Europa im Einklang mit ihren religiösen und kulturellen Traditionen und frei von Sicherheitsbedenken leben können“, erklärte von Schnurbein.
„Antisemitismus wird oft als Problem von Juden gesehen, es ist aber kein Problem von Juden, sondern für Juden und somit für uns alle.“ Und sie machte einen weiteren Grund deutlich, warum Antisemitismus entschlossen entgegentreten werden müsse. „Wenn Menschen glauben, wie wir das in der Pandemie gesehen haben, dass eine ominöse Kraft die Strippen hinter den Kulissen zieht, eher als die gewählten Vertreter der Regierung, dann ist das Vertrauen in die Demokratie sehr gering und man geht einfachen Lösungen auf komplexe Fragen auf den Leim.“
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Bettel wies darauf hin, dass vor nicht allzu langer Zeit auch in Luxemburg die Shoah wieder banalisiert wurde. „Wer meint, das habe es nicht gegeben, soll nach Auschwitz gehen und sich die Säle mit Haaren, Schuhen und Koffern anschauen, soll schauen, wo sie vergast und verbrannt wurden. Diese Menschen wurden umgebracht, weil sie Juden waren, sie haben nichts falsch gemacht. Und es sind keine Maschinen, sondern Menschen, die das gemacht haben. Es ist außerordentlich wichtig, die Erinnerung hochzuhalten.“
Die Aktionen des Panas
Es soll ein besserer Gesetzesrahmen mit schärferen Strafen geschaffen werden, um gegen Hassverbrechen und Hassrede vorzugehen, wenn es um Antisemitismus geht und die Verordnung umgesetzt werden, um einfacher gegen sittenwidrige Inhalte auf Online-Diensten vorgehen zu können. Das Phänomen soll besser verstanden werden, indem mehr Daten gesammelt werden und das Centre pour l'égalité de traitement eine stärkere Rolle spielt. Es soll der Schutz jüdischer Friedhöfe und Synagogen garantiert werden und eine Kontaktstelle für Opfer eingerichtet werden, wo sie beraten und begleitet werden.
Die Erinnerung an die Shoah soll lebendig gehalten werden, indem das Konvent von Cinqfontaines zur Bildungs- und Gedenkstätte ausgebaut wird. Der Beitrag des Judentums zu Luxemburgs Geschichte und Gesellschaft soll aufgewertet werden, indem das jüdische Kulturgut in Szene gesetzt wird. Es soll auch durch Bildungsprogramme sowie durch Sensibilisierung und Information an der gesellschaftlichen Resilienz gearbeitet werden, besonders bei der Jugend und dem Sicherheitsapparat.