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Rentenfinanzierung ohne pseudo-moralische Bremsklötze

Investoren wie der Pensionsfonds dürften sich nicht von den technologischen Entwicklungen der realen Welt abkoppeln, meint Robert Goebbels.

Analyse und Meinung

Investoren wie der Pensionsfonds dürften sich nicht von den technologischen Entwicklungen der realen Welt abkoppeln, meint Robert Goebbels.

Von Robert Goebbels *

Die ehrenwerten Abgeordneten werden in den nächsten Tagen über die zukünftige Investitionsstrategie des nationalen Pensionsfonds diskutieren. Der mit rund 26 Milliarden Euro gut dotiert zu sein scheint, um auch in Zukunft die Rentenzahlungen zu leisten.

Bekanntlich beruhen unsere Rentenleistungen auf dem sogenannten Umlageverfahren. Das heißt, die Zahlungen erfolgen aus den Beiträgen der Aktiven. So wie Pensionierte in ihren aktiven Jahren mit ihren Sozialbeiträgen ihre Vorgänger bedienten.

ARCHIV - 05.08.2010, Niedersachsen, Gorleben: ARCHIV - Ein an einer Kette befestigtes Schild im atomaren Zwischenlager in Gorleben warnt vor Strahlung, aufgenommen am 05.08.2010. (zu dpa «Ex-Chef der Entsorgungskommission: Endlager erst 2050 in Betrieb») Foto: picture alliance / dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die Doppelmoral von Sozialminister Haagen

Nur die Gewerkschaften lehnen die Investitionsstrategie des Pensionsfonds ab, der weiterhin die Atomindustrie finanziert.

Um sicherzustellen, dass die Beiträge der Aktiven genügen, um die Rentner weiterhin zu bedienen, hat der Gesetzgeber in seiner Weisheit beschlossen, die Rücklagen müssten eineinhalbmal den Betrag der jährlichen Rentenzahlungen ausmachen.

Eine ständig gestiegene Zahl an Beitragszahlern führte zur Explosion der Reserven des Pensionsfonds. Anfang 2022 stellten die Reserven das Fünffache der 2021 gezahlten Leistungen dar. Die Reserven kamen praktisch 150 Prozent der Staatsschuld gleich. Ein Umstand, der nicht wenig dazu beiträgt, dass die Rating-Agenturen Luxemburg weiterhin ein Triple A für die Kreditwürdigkeit des Landes zugestehen, die Voraussetzung für möglichst günstige internationale Kredite.

Keine Sorgen um die Zukunftsfähigkeit der Renten?

Leider nicht. Der enorme Zuwachs der Reserven ist das Resultat der Beschäftigung von immer mehr Grenzgängern. Nunmehr über 220.000 an der Zahl, bei insgesamt fast 500.000 Beschäftigten. In einem Land mit einer residierenden Bevölkerung von 650.000 sind es vor allem die Beiträge der vielfach recht jungen Grenzgänger, die für die ansehnlichen Reserven sorgen. Problem ist nur, dass auch die Grenzgänger sich Pensionsansprüche verdienen. Die sie in den kommenden ein bis zwei Jahrzehnten in immer größerer Zahl – und nur zu Recht – nutzen werden.

Eigentlich ein Schneeball-System.

Um den zukünftigen Rentenansprüchen der derzeitig aktiven Einheimischen und Grenzgängern zu genügen, muss das Umlagesystem wachsen. Im Klartext: Es müssen immer mehr Beitragszahler hinzukommen. Eigentlich ein Schneeball-System.

Oder es müssen die Sozialbeiträge erhöht werden. Eine sehr riskante Option in einem Land mit hohen Löhnen und Leistungen. Das als eines seiner wenigen Vorteile im internationalen Wettbewerb noch immer über recht niedrige Lohnnebenkosten verfügt.

Persönlich plädiere ich seit langen Jahren für eine größere Befreiung des Faktors Arbeit von Sozialbeiträgen. Weshalb keine Taxierung von Computern und Robotern zugunsten der Renten- und Krankenkassen? Weshalb nicht eine die wildesten Spekulationen bremsende Finanztransaktionssteuer zugunsten der Finanzierung der sozialen Netze?

Kastrierter Reservenfonds

Solange der Rentenfonds noch imposante Reserven besitzt, wird leider keine Partei sich an eine Reform der Finanzierung unseres sozialen Netzes heranwagen.

Politik , Tripartite , 18H , PK zu den bilateralen Konzertationen mit UEL und Syndikaten , PK Xavier Bettel , Foto: Anouk Antony/Luxemburger Wort
Bringen die Hilfspakete Luxemburgs „Triple A" ins Wanken?

Die Bestnote Triple A in der Kreditwürdigkeit ist zentral für die Luxemburger Wirtschaft. Wie viel Spielraum hat das Land?

Die Reserven des Pensionsfonds sind das Resultat einer vorsichtigen Investitionspolitik der Fonds-Verwalter. Die, wie das durch die Zyklen der Finanzmärkte unausweichlich bleibt, manchmal höhere, manchmal kleinere Renditen einfuhren. Hört man nun einigen Organisationen der Zivilgesellschaft zu, dürfte der Fonds in Zukunft nur noch in „ethische“ Anlagenobjekte investieren.

Das Geld für zukünftige Rentner muss weißer als Schnee sein.

Also in Firmen, die soziale Rechte und Umweltschutz als Priorität haben. Die nicht in Waffenproduktion, in Bergbauunternehmen, in Öl, Erdgas, Kohle oder gar in Atomenergie investieren. Auszuschließen seien auch Investitionen in Firmen aus undemokratisch geführten Ländern. Oder die in Verbindung stehen mit Ländern, in denen Menschenrechte oder soziale Rechte verletzt würden. Kurz, das Geld für zukünftige Rentner muss weißer als Schnee sein.

Man mag Verständnis aufbringen für solche von höchster Moral getragenen Forderungen. Dabei gaben die Verantwortlichen des Rentenfonds sich selbst recht restriktive Kriterien für ihre Anlagepolitik.

Die von einigen Organisationen, darunter Greenpeace, vorgebrachten Vorwürfe gehen jedoch zu weit. So sollen selbst Investitionen in Gesellschaften oder Fonds vereitelt werden, die wiederum eine Partizipation in Drittgesellschaften haben, womöglich in krumme Geschäfte verwickelt. Als Beispiel wird das Bergbauunternehmen BHP angeführt, das angeblich Anteile hatte an dem Staudamm, der 2015 in Brasilien zusammenbrach, wobei einige Hundert Menschen starben. Alles vorhersehbar?

Dehnbare Ethik?

Hat etwa Greenpeace jede Vertrauenswürdigkeit verspielt, weil ihr Finanzverwalter vor einigen Jahren gegen den Euro spekulierte und dabei fünf Millionen Euro aus dem Reservefonds der Umweltorganisation verlor? Oder weil Greenpeace zur steuerlichen Optimierung seinen Hauptsitz in den Niederlanden unterhält?

Wer aus ethischen Gründen gegen Bergbauunternehmen ist, müsste logischerweise auch gegen Fotovoltaik und Windenergie sein. Die nicht ohne die von Bergbauunternehmen gewonnenen seltenen Erden oder Mineralien funktionieren könnten. Das Gleiche gilt für Elektroautos, für Computer und Handys. Sylvio Borner, Professor an der Universität Basel, schätzt: „Für jedes Kilo Batterie müssen 50-  bis 100-mal mehr Rohstoffe verarbeitet werden, ein potenzielles ökologisches Desaster.“ („NZZ“ vom 25. September 2019).

Der Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege: „Aujourd’hui, on nous parle de ‚voiture verte‘, ‚d’économie verte‘. Mais au Congo, la couleur est rouge, le rouge du sang versé tous les jours“. (Le Monde, 15 décembre 2022).

Also kein Aktienkauf mehr von Tesla, von Volvo, von Mercedes oder BMW, die alle viel Kupfer, viel Lithium usw. in ihre Batterien stecken. Weg von Apple, Microsoft und Co, weg von allen Firmen, die Halbleiter einsetzen.

Die Abgeordneten, die nächste Woche sich bei der von Minister Claude Haagen (LSAP) gewollten Debatte über die Investitionsstrategie des Pensionsfonds aussprechen, sollten es sich zweimal überlegen, welche Investitionen sie tabu erklären möchten.

Musik ohne Instrumente?

Ich hätte noch Verständnis für eine Abstinenz bei der Produktion von Waffen. Doch wie der Ukraine helfen gegenüber der russischen Aggression ohne ausreichende und möglichst effektive Waffen? „Diplomatie ohne Waffen ist wie Musik ohne Instrumente“, soll schon der Alte Fritz gesagt haben.  

Die energetische Transition ist nicht zu schaffen, ohne tonnenweise Mineralien und seltene Erden. Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ebenfalls nicht.

Ab Januar 2023 sollen auch bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich klassifiziert werden können.
Die Atomkraft als Spaltpilz

Nächste Woche soll die Chamber die Anlagestrategie des Pensionsfonds erörtern. Déi Gréng haben große Erwartungen an die Debatte. Aus einem guten Grund.

Die gegen den Klimawandel angestrebte Umgestaltung unserer Energie-Versorgung ist unmöglich ohne Erdgas als Zwischenlösung. Hat zumindest der grüne Energieminister Robert Habeck verstanden. Der sogar billigte, dass vorübergehend die letzten drei deutschen Kernkraftwerke auf Stand-by stehen und stillgelegte Kohlekraftwerke zur Aufrechterhaltung der Grundlast reaktiviert wurden.

Wer wirklich 2050 die Netto-Null für Klimagase erreichen will, muss auf die Internationale Energie-Agentur, muss auf den Weltklimarat IPCC hören. Alle sagen, ohne mehr Nuklearenergie sei das Ziel unerreichbar.

Ein Umdenken findet statt. Die USA, China, Indien, selbst Japan setzen weiterhin auf Kernkraft. Großbritannien und Frankreich wollen verstärkt in Atomkraftwerke investieren. Schweden und die Niederlande wollen neue Kernkraftwerke bauen. Belgien hat die Laufzeit seiner Reaktoren bereits verlängert. Finnland, Polen und Tschechien investieren weiter. Selbst arabische Ölstaaten investieren in Kernkraft für die Zeit nach der Dekarbonisierung. Die bestenfalls gegen 2070 zu erreichen ist.

Nur in Luxemburg darf nicht einmal an Nuklearkraft gedacht werden. Cattenom wird bestehen bleiben. Unsere Ablehnung ebenfalls. Ändern an der Weltgeschichte tut das nichts.

Unser Land, das nunmehr einige zwölf Prozent seiner Elektrizität „erneuerbar“ produziert, bleibt dennoch für seinen globalen Energiekonsum zu um die 95 Prozent von Importen abhängig.

Doch die großherzogliche Regierung entsagt sich selbst einer Unterstützung der Forschung zur strahlenfreien Kernfusion. Sie enthält sich der Stimme, wenn die EU ihren Beitrag zum Iter-Forschungszentrum festlegt. Dabei gelang es kalifornischen Forschern im letzten Dezember, durch den Einsatz von Hochleistungslasern aus einem Atom Wasserstoff mehr Fusionsenergie zu produzieren, als eingesetzt wurde. Bis die Fusionstechnologie ausgereift ist, mag es dauern. Das ist kein Grund zur Abstinenz.

Luxemburg, und damit Investoren wie der Pensionsfonds, darf sich nicht von den technologischen Entwicklungen der realen Welt abkoppeln.

* Der Autor ist ehemaliger LSAP-Minister und -Europaabgeordneter.

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