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Teslas riskante Wette auf dem Weg zum „Full Self Driving“

Das aktuelle Tesla Model S wirkt mit dem Yoke-Lenkrad und den Autopilot-Animationen auf dem Display wie aus der Zukunft. Dort angekommen ist der US-Autobauer aber noch nicht.

Reicht "Vision-only" & K.I.?

Das aktuelle Tesla Model S wirkt mit dem Yoke-Lenkrad und den Autopilot-Animationen auf dem Display wie aus der Zukunft. Dort angekommen ist der US-Autobauer aber noch nicht.

Foto: Tesla

Teslas Autopilot ist immer wieder in der Presse, dabei ist man mit der "Full Self Driving Beta" darüber lange hinaus. Wie weit ist Tesla also wirklich?

Reicht "Vision-only" & K.I.?

Dustin MERTES

Dustin MERTES

Teslas Autopilot ist immer wieder in der Presse, dabei ist man mit der "Full Self Driving Beta" darüber lange hinaus. Wie weit ist Tesla also wirklich?

Teslas Autopilot ist immer wieder mit Horrorunfällen in den Schlagzeilen. Oft bleibt es dann bei der Meldung, ein genauerer Blick auf die Fahrassistenzsysteme des E-Autobauers fällt unter den Tisch. Aber Autopilot ist bei Tesla schon lange nicht mehr gleich Autopilot, und die Herangehensweise ans autonome Fahren unterscheidet sich bei dem amerikanischen Unternehmen von allen Mitbewerbern. Das hat Vor- und Nachteile.

TC/Lifestyle/Luxtimes. ,Erstes autonomes Auto - Fahrt über den Kirchberg.Foto: Gerry Huberty/Luxemburger Wort
Ein Roboter übernimmt das Steuer in Kirchberg

Die Universität Luxemburg arbeitet seit 2018 an einem autonom fahrenden Auto. Nun wurde die erste Testfahrt durch die Hauptstadt genehmigt.

Wer in Luxemburg einen Tesla bestellt, hat bei der Fahrassistenz drei verschiedene Optionen. Die Basisausstattung inkludiert einen Spurhalteassistenten und einen Abstandstempomat, was offiziell als Basic Autopilot vermarktet wird. Mit einem wirklichen Autopiloten hat das aber noch gar nichts zu tun, die Konkurrenz bietet in Autos der Preisklasse ähnliche Systeme an. Für 3.800 Euro Aufpreis gibt es den „Enhanced Autopilot“, welcher die Fahrassistenz mit der Navigation kombiniert, automatischen Spurwechsel auf der Autobahn und automatisches Einparken ermöglicht. Außerdem kann man das Fahrzeug aus geringer Entfernung via App zu sich rufen. 

Bei „Volles Potenzial für autonomes Fahren“ für 7.500 Euro erhält der zahlungskräftige Kunde alle Funktionen der beiden Autopilot-Stufen, sowie eine Ampel- und Stoppschild-Erkennung. Auch das gibt es in ähnlicher Form schon bei der Konkurrenz. Zusätzlich wird ein City-Lenkassistent für die „nahe Zukunft“ versprochen.

Alle Teslas, die nach Oktober 2016 produziert wurden, sollen bereits für das autonome Fahren ausgerüstet sein. Nur an der Software hakt es noch.

Alle Teslas, die nach Oktober 2016 produziert wurden, sollen bereits für das autonome Fahren ausgerüstet sein. Nur an der Software hakt es noch.

Foto: AFP

Fokus auf Kameras und K.I.

Diese Option gibt es für alle erhältlichen Teslas. Bereits im Oktober 2016 kündigte Tesla vollmundig an, dass alle Fahrzeuge der Firma ab diesem Zeitpunkt über die nötige Hardware für autonomes Fahren verfügen würden. In der Branche sorgen diese Aussagen seit Jahren für Diskussionen, schließlich ist Tesla der einzige Hersteller, der autonomes Fahren in erster Linie mit Kameras und Künstlicher Intelligenz realisieren will. Tesla nennt das „Vision only“. In den aktuellsten Baureihen der Tesla-Flotte fehlen daher sogar die Ultraschallsensoren, die bisher - wie in Millionen anderen Autos - zentimetergenau beim Einparken halfen. Auch auf zuvor gespeichertes Kartenmaterial will man verzichten, die Autos sollen auch auf unbekannten Straßen autonom fahren können. 

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Kein anderer Hersteller geht derzeit diesen minimalistischen Weg, diverse Radar- und die sogenannten Lidar-Sensoren sind bei der Konkurrenz überall mit dabei. Auch das Forschungsprojekt der Luxemburger Universität, welches vor Kurzem in Kirchberg getestet wurde, arbeitet neben Kameras mit einem Lidar-Sensor und einprogrammiertem Kartenmaterial. 

In den USA ist Tesla mit seinen Plänen schon deutlich weiter als in Europa, wo die Regularien strenger sind. Dort dürfen Kunden, die das teuerste Assistenz-Paket gebucht haben (für 15.000 Dollar, also fast dem Doppelten), die „Full Self Driving Beta“ ausprobieren. Mittlerweile sind das bereits mehr als 400.000 US-Kunden. Auch wenn der Name etwas anderes suggeriert, wird das Assistenzsystem, mit dem Tesla in Zukunft Autonomie erreichen will, derzeit nur als Level 2 eingestuft. Ein wichtiger Grund hier für ist, dass die Hände trotz aktivierter FSD Beta am Lenkrad bleiben müssen, um im Zweifelsfall eingreifen zu können. Dies wird vom Auto durch eine Kamera im Innenraum überwacht. Verstöße werden mit sofortigem Ausschalten der Fahrassistenz geahndet, in der Vergangenheit wurden Kunden nach wiederholten Ausfällen sogar aus dem Beta-Programm entfernt.

Die meisten Fahrzeuge mit Assistenzsystemen werden heute als Level 2 klassifiziert. Lediglich Mercedes hat mit seinem System „Drive Pilot“ kürzlich als erster Autobauer die Level 3-US-Zulassung für den Bundesstaat Nevada bekommen. Dieser Vorsprung relativiert sich beim Blick auf das Kleingedruckte recht schnell. Das System funktioniert lediglich auf Freeways bei Geschwindigkeiten bis 40 Meilen pro Stunde (rund 60 Kilometer pro Stunde), zudem darf der Abstand zum Vordermann nicht zu groß werden. In Deutschland darf das System unter den gleichen Voraussetzungen eingesetzt werden. Der Aufpreis für das System liegt zwischen fast 6.000 (S-Klasse) und 9.000 Euro (EQS) und ist nur auf die Flaggschiffe der Marke beschränkt.

Auf dem Papier scheint Tesla also deutlich hinterherzuhinken, doch dass die FSD Beta nicht unterschätzt werden sollte, zeigen diverse Erfahrungsberichte und Videos von Nutzern aus den USA, so zum Beispiel eine rund 50 Kilometer lange, nächtliche Stadtfahrt durch Los Angeles, in welcher der Fahrer nicht einmal eingreifen muss. Auf dem zentralen Display zeigt die Software an, was das Auto sieht.

Ähnliche Videos finden sich zuhauf in den sozialen Netzwerken, genauso oft sind aber auch Fahrten mit mal mehr, mal weniger gravierenden Fahrfehlern zu sehen. Im Gegensatz zu einer von Tesla inszenierten Autopilot-Fahrt aus dem Jahr 2016, die in jüngster Vergangenheit aufgedeckt wurde, stammen die Aufnahmen direkt von Nutzern des Systems.

Der Rechtsanwalt Ilan Danon nutzt dies FSD Beta seit einem Jahr in der Metropolregion um New York.

Der Rechtsanwalt Ilan Danon nutzt dies FSD Beta seit einem Jahr in der Metropolregion um New York.

Foto: Ilan Danon

Ilan Danon ist ein FSD Beta-Nutzer in New Jersey und seit Herbst 2021 mit dem Fahrassistenzsystem unterwegs. Im Gespräch mit dem Luxemburger Wort verrät er seine Erfahrungen: „Ich benutze die Beta aktuell so ziemlich jeden Tag für jeden Trip, den ich mache“, erklärt der Anwalt, der sowohl in der Metropolregion um New York unterwegs ist als auch gelegentlich in der Stadt selbst. „Ich würde sagen, dass ich mich seit Sommer letzten Jahres auf die FSD Beta verlassen kann, weil sie sich auf einen Stand verbessert hatte, dass ich mich durchgängig wohl damit fühle“. Von vereinzelten Aussetzern berichtet aber auch Danon. Auch er hat uns ein Video von seiner täglichen Pendlerstrecke zur Verfügung gestellt, die sein Tesla ohne Eingriffe im Feierabendverkehr komplett autonom absolviert hat:

Teslas Assistenzsoftware verändert sich durch regelmäßige Updates konstant. Durch die mittlerweile 400.000 Beta-Tester werden permanent Daten für die eigene Künstliche Intelligenz gesammelt. Über 100 Millionen Meilen wurden laut Elon Musk schon mit der FSD Beta zurückgelegt - ein Datenpool, auf den kein anderer Hersteller der Welt zugreifen kann, und durchaus ein Grund dafür, dass Tesla eben doch noch ein wichtiger Player beim autonomen Fahren werden könnte. Und sollte es tatsächlich gelingen, könnte die Software von jetzt auf gleich auf die gesamte Flotte ausgespielt werden. 

This video screen grab made from Tesla AI Day 2022 livestream shows the humanoid robot walking on stage in Palo Alto, California on September 30, 2022. (Photo by various sources / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / HANDOUT / TESLA " - NO MARKETING - NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS
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In einem früheren Interview zum Thema autonomes Fahren kommentierte der Luxemburger Professor Dr. Raphaël Frank, der das 360Lab an der Universität Luxemburg leitet und sich dort mit dem Bereich Smart Mobility beschäftigt, die Herangehensweise der US-Marke: „Die Hardware-Plattformen in Teslas sind so konzipiert, dass nur ein Software-Update aufgespielt werden muss und dann wird jedes Auto einfach immer besser. Die Architektur, die Tesla von Anfang an in seinen Fahrzeugen einbaut, ist wesentlich flexibler als bei den meisten europäischen Herstellern.“ 

The currently enabled Autopilot, Enhanced Autopilot and Full Self-Driving features require active driver supervision and do not make the vehicle autonomous. [...] While using Autopilot, it is your responsibility to stay alert, keep your hands on the steering wheel at all times and maintain control of your car.

Tesla Support

Vor allem sorgt die Tatsache, dass Tesla normale Kunden als Beta-Tester nutzt, für Kritik. Die Anweisungen für die Kunden sind allerdings recht eindeutig, die Autos fahren nicht autonom, Fahrer müssen aufmerksam bleiben und die Hände am Lenkrad behalten. Um Missbrauch entgegenzuwirken, verbaut der Autobauer mittlerweile Kameras im Auto, die auswerten, ob der Fahrer auch wirklich aufmerksam ist. Dennoch gibt es immer wieder Regelverstöße, die in teils tödlichen Unfällen enden. Die missverständliche Namensgebung (Autopilot, Full Self Driving) ist möglicherweise auch nicht unbedingt förderlich.

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„Ich glaube, dass viele Leute nicht verstehen, welche Verantwortung sie haben, wenn sie das Feature nutzen und tatsächlich aufpassen müssen“, findet FSD-Fahrer Ilan Danon. „Aber ich glaube, dass Tesla Maßnahmen ergriffen hat, die sicherstellen, dass das Produkt auch unter Berücksichtigung dieser Faktoren nicht so gefährlich ist, wie es gerne behauptet wird.“

Trotz seiner positiven Erfahrungen mit der FSD Beta glaubt Danon nicht daran, dass Tesla mit seinem System Level 5 erreichen wird. „Ich denke, dass es mehrere Sensoren braucht. Ich denke, dass Radar ein wichtiger Faktor sein wird“, erklärt er. Beim „Vision only“-Ansatz sieht Danon Probleme in schwierigen Licht-Situationen, bei Staub, Schnee und so weiter. Auch erkenne das Fahrzeug mangels Radar nicht, wenn Autos vor dem unmittelbaren Vordermann bremsen.

Die Gerüchteküche brodelt

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Seit Dezember letzten Jahres mehren sich die Gerüchte, dass Tesla das auch zu erkennen scheint und den Schritt zum autonomen Fahren nun doch mit neuer Hardware und unter anderem einem neuen Radar-System erreichen will, welche laut Elon Musk allerdings nicht in der bisherigen Flotte nachgerüstet werden. Auf die Frage eines Investors bei einer Konferenz zur Veröffentlichung der Finanzergebnisse für das vierte Quartal 2022 versicherte Musk, dass auch ältere Teslas Full Self Driving nutzen können werden, dies aber dann nicht so gut sei wie mit der neuen Hardware.

Diese Aussage legt gewissermaßen die Problematik um Teslas Bemühungen im Bereich autonomes Fahren offen. Wenn selbstfahrende Autos Realität werden sollen, darf es nicht mittelmäßige und gute Varianten geben. Es genügt nicht, wenn die Fahrzeuge mit 95 Prozent aller Situationen klarkommen und auch nicht mit 99,9 Prozent. Es braucht mehrere Stellen hinter dem Komma, um es wirklich zum autonomen Fahren zu schaffen. Alles andere ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die nie an Musks Versprechen vom autonomen Fahren geglaubt haben.

Letztendlich weiß niemand, ob Tesla irgendwann den Update-Knopf drückt und die Tesla-Flotte plötzlich wirklich autonomes Fahren unterstützt. Die Fähigkeiten der FSD Beta sind schon heute beeindruckend, kein Konkurrenzprodukt bringt seinen Besitzer ohne Eingriffe zum Arbeitsplatz. Aber das System ist noch lange nicht frei von Fehlern. Das sorgt zweifellos für einen bitteren Beigeschmack im Zusammenhang mit 400.000 testenden Kunden auf öffentlichen Straßen. Gleichzeitig könnte der Datenpool so vieler Testfahrzeuge auf öffentlichen Straßen aber auch der entscheidende Baustein zum Erfolg sein. In dem Fall würde Tesla eine Wette gewinnen, deren Ausgang vor zehn Jahren noch niemand für möglich gehalten hätte. 

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